Montag, 31. März 2014

Wildwest im Weilerhau - TSV Plattenhardt gegen TV 89 Zuffenhausen

"Heute ist der 30. Mai" - Der Tower erteilt die Erlaubnis zum Toreschießen.
Plattenhardt? Plattenhardt? Ja, es gibt so Vereine im Land, die kennt man und kann dennoch nichts über sie erzählen. Die TSV Plattenhardt 1895 aus dem 1938 eingemeindeten Stadtteil Filderstadts ist so ein Kandidat. Die traditionsreiche Jahreszahl muß bei einem Großsportverein nicht zwangsläufig bedeuten, dass auf den Fildern bereits im ausgehendem 19. Jahrhundert organisiert gegen das runde Leder getreten wurde.

Ein schickes Wappen führt die TSV, die tatsächlich eine "die" und kein "der" TSV ist. Die Abkürzung steht nicht, wie man erwarten könnte, für Turn- und Sportverein, sondern für Turn- und Sportvereinigung, was dazu führt, dass der Verein in manchen Tabellen und Statistiken als TSVgg abgekürzt wird. Wie auch immer, das Wappen findet Platz auf einer Tasse, was somit eine klare Entscheidung für mich war, die Reise auf die Fildern in Angriff zu nehmen.

Eingang zum Weilerhau.
Sportlich bringt man Plattenhardt wohl eher mit dem bis 2005 ausgetragenen Porsche Tennis Grand-Prix in Verbindung. Das fußballerische Aushängeschild in Filderstadt ist der SV Bonlanden, der gerade in der Verbandsliga gegen den Abstieg kämpft, über die TSV Plattenhardt läßt sich recht wenig erzählen. Landesliga haben sie mal gespielt, aber das war es schon, was ich so aus dem Stegreif über den Verein hervorzaubern kann, und dorthin können sie auch wieder hin. Zumindest über die Relegation, der Tabellenführer der Bezirksliga Stuttgart - Calcio Leinfelden-Echterdingen - ist wohl kaum noch einzuholen.

Plattenhardt im Nacken sitzt der SC Stammheim, und die Mannschaft aus dem Weilerhau tut gut daran, die Gäste aus Zuffenhausen nicht zu unterschätzen. Zuffenhausen ist in der Welt der Fußballhistorie natürlich ein Begriff, aber am Sonntag gastierte nicht der ruhmreiche FV 98 - der ist schon längst Geschichte und mittlerweile ein Anhängsel im SSV - sondern der TV 89 Zuffenhausen.
Als ob das nicht schon reichen würde, TV 89 mit FV 98 verwechseln zu können, so haben die Turner noch mit dem TSV Zuffenhausen einen weiteren entfernten Namensvetter im Fußballgeschehen.





Die Anreise nach Filderstadt geschieht mit dem günstigen MetropolTagesTicketStuttgart, sogar der VVS-Bus vom Bahnhof Bernhausen zur Anlage in Plattenhardt ist im Preis inbegriffen.

Nach ein paar Minuten Fußmarsch von der Bushaltestelle erreiche ich auch die Sportanlage, die die Heimat der TSV ist. Es ist frühsommerlich warm, und die Menschen sitzen im Biergarten, promenieren in den Grünanlagen oder spielen mit den Kindern auf dem Spielplatz.

Die Anlage des TSV Plattenhardt ist recht groß und durchaus auf Landesliga-Niveau. 3 Fußballplätze (1 Rasen- und 2 Hartplätze) sowie ein Umkleidetrakt, der Platz für 6 Mannschaften bietet. Am besten gefällt mir jedoch der "Tower", die Sprecherkabine, die vom Sprecher je nach Spielort entweder Richtung Rasen oder eben Kunstrasen besetzt werden kann. Beim meinem Eintreffen um 13:45 Uhr ist auch schon was los.

Plattenhardt II gegen Untertürkheim.
Im Hintergrund der Tower.
Auf dem Hartplatz tritt die zweite Mannschaft der TSV gegen den Tabellenführer der Kreisliga A, der SG 07 Untertürkheim an. Die SGU läßt sich auch nicht lumpen, sondern führt zur Halbzeit souverän mit 1:3 im Weilerhau, was dazu führt, das Plattenhardts Trainer seine Jungs in der Pause ordentlich zusammenfaltet. "Die sind von oben bis unten alle in blau gekleidet, das sind hervorragende Unterscheidungsmerkmale", klingt seine Stimme im schönsten Honorationenschwäbisch, "UND DENNOCH KÖNNET DIE UNGEHINDERT IN UNSERER HÄLFTE AGIEREN!?!?!?! SIEHT DIE DENN DA KEINER IM FREIEN RAUM??? DAS DARF DOCH NICHT WAHR SEIN, JUNGS!!!!" - Selbst ich ziehe meinen Kopf ein und schaue schuldbewußt zum Boden, dabei habe ich die Halbzeit doch nur vom Spielfeldrand aus beobachtet.

Doch auch die 2. Halbzeit sieht die Untertürkheimer agieren, Plattenhardt nur reagieren, und die SGU erhöht auf 5:1. Neben mir stehen ein paar ältere Herren, die sich weniger für das Spiel interessieren. Unentwegt reden sie von künstlichen Hüftgelenken, Blut im Urin oder Kathedern. Mittlerweile füllt sich der Sportplatz auch, ein später gekommener Zuschauer fragt mich nach dem Spielstand. "1:5" - "Okay, dann gewinnen sie heute nicht mehr hoch". Galgenhumor hilft manchmal.
Okay, die Plattenhardter gehen unter, doch sie kämpfen, erzielen noch das 2:5, was aber auch der Endstand ist. Untertürkheim bleibt weiter auf dem Weg Richtung Bezirksliga, Plattenhardt II dafür weiterhin in Abstiegssorgen. Mein Kreisliga-A-Fluch bleibt bestehen: die Heimmannschaft hat verloren. Nur ist es diesmal nicht wirklich überraschend.
Kaffee und Kuchen oben,
Bier und Bratwurst unten.
Langsam kommen die Zuschauer.











Für die Untertürkheimer ist der restliche Tag insofern von Interesse, da sie heute zwei mögliche Konkurrenten der nächsten Saison beobachten können, und so verharren denn auch einige Untertürkheimer für den Rest des Tages im Weilerhau.

Findet man überall, auch auf Tassen:
das TSV-Wappen.
Der Rasenplatz ist eine kleine schnuckelige Arena, auf der einen Seite mit einer richtigen Stehplatztraverse, auf der anderen Seite mit einer "Liegewiese" versehen. Die erste Halbzeit kann ich also schön im Liegen geniessen. Auch Spaziergänger können als echte "Zaungäste" einen Blick auf Spielgeschehen werfen, dennoch sind zahlreiche zahlende Zuschauer anwesend, wie ich zufriedenstellend bemerke. Von meinem gemütlichen Platz auf der Liegewiese zähle ich bei Spielbeginn knapp 130 Zuschauer auf den Stehplätzen, nochmals ca. 20 bis 30 dürften auf meiner Seite sein. Unter den Zuschauern ist auch eine kleine blau-weiße Zuffenhausen-Gruppe, ein Zuschauer sogar mit TV-89-Fanschal. Ansonsten ist es - trotz großen Fanshop-Angebotes der Plattenhardter - was Vereinsfarben angeht sehr mau. Wenigstens die Eckfahnen präsentieren stolz das TSV-Wappen. Sehr informativ ist das vierfarbige Stadionblatt, der 55 Seiten starke "Weilerhau Express", der auch noch bei jedem Heimspiel extra erscheint. So nobel geht es bei der Normannia nicht zu. Willige Werbepartner müssen wohl da sein.

Zaungäste.
Zahlende Gäste.









Einwurf Richtung Plattenhardter Tor.

Ein paar spielende Kinder sind noch im Fußballdress da, aber in Trikots des VfB Stuttgart oder das furchtbare neue Auswärtstrikot der Nationalmannschaft, das ja nun eher nach Hollywood denn nach  Fußball aussieht. Ein kleiner pummeliger Junge ist gar komplett bis auf die Stutzen im Dress von Borussia Dortmund gekleidet da, was seine VfB-Freunde mit "kleine dicke Biene Maja"-Gesängen oder der rhetorisch gemeinten Frage "BVB? Bist du eigentlich dumm?" karikieren.

Beim einlaufen aufs Spielfeld begrüßt der Stadionsprecher aus seinem "Tower" die Spieler und das Publikum mit "Willkommen im Weilerhau. Heute ist der 30. Mai 2014". Zugegeben, das herrliche Wetter und die Umstellung der Uhren auf die Sommerzeit kann einem schon im Wonnemonat wähnen.

Sicherer Rückhalt seines Teams.
Plattenhardts Keeper Alexander Busse.
Das Spiel beginnt sehr vielversprechend, Zuffenhausen wirkt auch alles andere als eine Mannschaft, die momentan auf Platz 8 jenseits von gut und böse vegetiert. Dennoch gehen die Gastgeber sehr zur Freude der Plattenhardter Zuschauer mit einem lehrbuchmäßigen Tor 1:0 in Führung.
Die Zuffenhauser Bank und das Zuffenhauser Publikum hadert derweil mit dem Schiedsrichter, und man ist durch den zeitnahen Ausgleich nicht milder gestimmt. "Ja, immer schön die Großen bevorzugen" klingt es von außerhalb des Spielfeldes, und ähnliches ist dann auch die vollen 90 Minuten über zu hören. Zwischenzeitlich führt allerdings der Tabellenzweite mit 2:1, aber Zuffenhausen setzt nach, um irgendwie auf den verdienten Ausgleich zu kommen.

Zuffenhausens Reserve
macht sich bereit.
Die Halbzeitpause nutze ich, um über den Namen Plattenhardt zu philosophieren. Später erfahre ich, dass "Platte" von "Ebene", "Hardt" vom "Wald" abgeleitet wird. Ob Plattenhardt wirklich so eben ist, kann ich nicht beurteilen, vor einem Tor ist zumindest ein echter "Hubbel" direkt auf der Torlinie. Dafür ist ein Kiefernwäldchen in der näheren Umgebung, und akkustisch merkt man die Nähe zum Flughafen in Leinfelden-Echterdingen.

Zum Seitenwechsel geselle ich mich zaghaft zum Zuffenhausener Grüppchen, das wenigstens nicht nach Sonntagsausflug sondern ein wenig nach Fußballfans aussieht. Vor dort aus geht es auch ein wenig lebhafter zu, wenn auch nur bei Schiedsrichterentscheidungen.

Der kleine Zuffenhausener Anhang.
Plötzlich habe ich eine dunkle Vorahnung, das ich theoretisch ja nächstes Jahr wieder im Weilerhau zu Gast sein könnte, wenn die TSV durch Relegation in die Landesliga auf- und Normannia durch ... "NEIN!" schimpfe ich in Gedanken mit mir, "an sowas denkt man nicht mal, du Bursche!"

Das Spiel bleibt spannend, Zuffenhausen ist durchaus gleichwertig, aber es wird auch ruppiger. Theatralisch fällt ein Spieler mit lautem Schrei zu Boden. "Das ist wie früher in den Wildwest-Filmen. Wenn die Indianer einen Pfeil durch die Brust geschossen haben, sind die Typen auch immer so Kerzengerade und schreiend mit der Hand vorm Bauch vom Felsen gestürzt" klärt ein Zuffenhausener auf. Ein seltsamer, aber irgendwie lustiger Vergleich.
Plattenhardts Abteilungsleiter Volker Mack ist sich noch gar nicht Siegessicher, und dreht, eine Zigarette rauchend, eine Runde um den Platz.

Chance vereitelt, Busse klärt.
Eine ganz dicke Chance haben die Zuffenhausener noch, als der Ball nach einem Freistoß elegant Richtung Toreck gezirkelt wird, doch Plattenhardts Keeper Alexander Busse rettet seiner Mannschaft die 3 Punkte. Zuffenhausens Ansturm wurde nicht belohnt, und als gegen Spielende der Schiedsrichter  einen Einwurf für den TV 89 aus aussichtsreicher Position verweigert, wird es nochmals laut im Rund.



Generell geht der Sieg für die Hausherren in Ordnung, wobei ich - ganz gegen meine Gewohnheit der sportlichen Neutralität - doch etwas Mitleid mit den Zuffenhausener habe.


Während der langen Heimfahrt in Bus, S-Bahn und Regionalbahn bin ich recht zufrieden. Fast zwei Spiele zum Preis von einem, gute Organisation beim Gastgeber, schönes Wetter, viele Tore. Zudem herrscht bei mir die Zuversicht vor, das die Normannia nur zum Pokal- oder Freundschaftsspiel nach Plattenhardt fährt. Oder wenn die TSV durchmarschiert. Aber danach sieht es auf den Fildern nicht aus.




Spielberichte:
TSV Plattenhardt: TSV - TV Zuffenhausen 2:1
TV Zuffenhausen: Kein Happy ◯nd
Kick-S: Letzte Konsequenz fehlt. TSVgg Plattenhardt - SG Untertürkheim 2:5



Sonntag, 30. März 2014

Immer diese Wiederholungen! - Spfr. Schwäbisch Hall gegen FC Normannia Gmünd

Gehört bald der Vergangenheit an. Weniger die Ligazugehörigkeit
der Sportfreunde, jedoch der Eingangsbereich der Auwiese.
Das neue Jahr begann für Normannia - zumindest aus Sicht der Ausbeute im Punktspielbetrieb - bislang zufriedenstellend. Einem 0:0 Zuhause gegen Göppingen folgten ein Erfolg in Albstadt und ein Heimsieg gegen den FC Wangen. Als Fan neigt man leicht dazu, solche Punktgewinne als Selbstverständlichkeiten hinzunehmen, quasi einen ewigen Fußballsommer auszurufen und sieht die Mannschaft förmlich die Birken im Normanniastadion ausreißen. Erholt man sich erst aus seinem Fußballrausch, wird man schon bescheidener und würde sich in der Fremde schon mit einem Pünktchen zufrieden geben. Meinethalben auch mit einem Grottenkick.

Die Sportfreunde Schwäbisch Hall sind ein Verein, der sich mit Fug und Recht mit dem Prädikat "Traditionsverein" schmücken darf. Gegründet am 22. Juli 1912 als Sportverein Hall, wurde in der alten Salzsiederstadt schon gegen das runde Leder getreten, als man sich in einer heutigen Bundesligastadt im Badischen noch rein ums Turnen kümmerte und erst in jüngerer Vergangenheit das "1899" in den Vereinsnamen aufnahm.

Besonders sympathisch ist die Existenz einer Faustballabteilung, die in der Gauliga durch beachtenswerte Ergebnisse auffällt. Auffällig ist auch das schöne blau-weiße Logo mit dem altertümlich wirkenden Schriftzug, der sich sicher auch hervorragend auf einer Tasse machen würde.

Vor 1950 trat Schwäbisch Hall überregional so gut wie nicht Erscheinung. 1927 wurde Hall Meister im Bezirk Hohenlohe und stieg in die Kreisliga Alt-Württemberg, der zweithöchsten Spielklasse im damaligen Ligasystem, auf. Dort waren die Kicker aus der Kocherstadt allerdings chancenlos und stiegen postwendend wieder ab. Ein einziges Mal durfte Schwäbisch Hall dabei einen Sieg bejubeln (ein 1:0 Heimsieg gegen Eintracht Stuttgart), ansonsten gab es zum Teil deftige Niederlagen, wie z. B. ein 0:8 gegen den SV Feuerbach oder ein 0:9 gegen die SpVgg Prag (Stuttgart). 1932 gab es eine Rückkehr in die Kreisliga, diesmal die neugebildete Kreisliga Hohenlohe. Aber auch 1932/33 hieß es für Schwäbisch Hall nach nur einem Jahr Kreisliga wieder Abstieg. Besonders derbe Niederlagen mußten die Häller mit 0:16 beim Vorjahresabsteiger VfR Heilbronn und einem 2:11 beim TSV Neckarsulm einstecken.

Schatten der Vergangenheit
an der Wand im Vereinsheim.
Am 26. November 1945 entstanden die Sportfreunde Schwäbisch Hall, wie wir sie heute noch kennen, und die 1950/51 in der 2. Amateurliga, Staffel 2 ins Rennen gingen. Abgesehen von einem 2. Platz 1956 dümpelte Hall zunächst nur im Mittelfeld herum, ehe 1958 sogar der Abstieg in die A-Klasse erfolgte. Der "Betriebsunfall" wurde zwar umgehend korrigiert, die Sportfreunde entwickelten aber zunächst nur den Ruf eines Fahrstuhlteams.

1968 begann mit einem erneuten Aufstieg in die 2. Amateurliga eine große Zeit der Sportfreunde Hall, der 1971 zur Ligameisterschaft und zum Aufstieg in die 1. Amateurliga Nordwürttemberg führte. Dort traf man Größen wie die Amateure des VfB und den Stuttgarter Kickers, dem Göppinger SV, SC Geislingen, Union Böckingen, TSF Esslingen, dem neugegründeten SSV Ulm 1846 oder eben auch Normannia Gmünd. Schwäbisch Hall kam in der Liga gut zurecht, stieg zwar einmal - 1977 - wieder ab, konnte aber im letzten Spieljahr der Amateurliga 1978 mit dem Gewinn der Ligameisterschaft die Qualifikation zur neugeschaffenen Verbandsliga Württemberg sichern.
Ein weiterer Höhepunkt der 70er Jahre war 1975 die Teilnahme am DFB-Pokal. Mit 5:1 fegte man dabei in Runde 1 die TuS Mayen vom Platz, unterlag dann in Runde 2 in der Auwiese mit 0:5 gegen die Stuttgarter Kickers.

Kennt keine Normannia-
Spieler im Siegesrausch:
Stadion Auwiese.
Gegen das Gründungsmitglied der Verbandsliga trat Normannia Gmünd relativ selten an. Ligaduelle gab es nur von 1971/72 bis 1974/75 in der 1. Amateurliga und seit 2012 in der Verbandsliga. In 11 Begegnungen gab es lediglich 1972 einen Heimsieg für die Schwerzer-Elf, ansonsten blieb Hall als Angstgegner der Schwarz-Roten stets der Sieger. Das 1949 eröffnete Stadion Auwiese weiß gar nicht, wie eine siegreiche Normannia-Mannschaft aussieht, zumal Hall für gewöhnlich mit mindestens 2 Toren Unterschied gewinnt. Lediglich beim ersten Aufeinandertreffen in der Auwiese begnügten sich die 11 Sportfreunde mit dem knappsten aller Siege, einem 1:0 gegen den späteren Halbfinalisten der Deutschen Amateurmeisterschaft.

5 Spiele, 5 Niederlagen, 3:13 Tore? Zeit für die Normannia, von dieser Negativserie Abschied zu nehmen und Grund genug für mich, bei einem möglicherweise historischen Augenblick zugegen zu sein. Konnte doch die heutige Normannia-Elf wortwörtlich Geschichte schreiben.

Abschied nehmen heißt es auch für das altehrwürde Auwiese-Stadion, dass einst bei seiner Eröffnung die SpVgg Fürth auf seinem Rasen begrüßen durfte. Denn die Tage der doch etwas in die Jahre gekommenen Anlage sind gezählt, und die Abrissbagger scharren schon mit den Hufen. An gleicher Stelle entsteht der Sportpark am Kocher, der den morbiden Charme der gegenwärtigen Anlage gegen ein modernes Ensemble austauscht.

Die Anreise in die schöne Kochermetropole geschah so zeitig, das ich schon befürchtete, über den Zaun ins Stadion klettern zu müssen, und die nette Wirtin des Vereinsheims war über den frühen Auftritt des schwarz-roten Normanniaschals sichtlich verblüfft. "Ja, was macht ihr denn schon da?" fragt sie feixend.

Auch die blau-schwarzen Jungs des Gastgebers zeigen sich noch nicht, der Normannia-Bus ist noch auf der Strecke, so dass ich die Zeit nutzen kann, gemütlich Impressionen vom Stadion zu sammeln.

Stadion Auwiese, DFB-Pokal-Veteran.
Relikt vergangener Fußballtage:
die kleine Tribüne im Stadion.
Auwiese, das klingt zunächst mal nach runden saftigen Hobbits, die sich in lieblicher Landschaft freudig tummeln.

Sanierung tut Not!
Was aber nach landschaftlichem Idyll klingt, entpuppt sich doch als ein Relikt vergangener Fußballgroßereignisse. Die gesamte Anlage, wettergegerbt und vom Zahn der Zeit angeknabbert, sehnt sich förmlich danach, seinem Nachfolger Platz machen zu dürfen.
Dennoch, ob zeitgemäß oder nicht, mit dem Abriss des Komplexes verschwindet auch unwiderruflich ein kleiner Teil der deutschen Fußballgeschichte, und der moderne Sportpark muß sich seine Seele, seine Patina erst verdienen. Wenn er es denn je schaffen wird.

Nebenan wird von jungen Menschen Baseball trainiert, ein richtiges kleines Baseball-Feld am Kocher. Es dürfte sich um die Renegades handeln, die in der TSG Schwäbisch Hall beheimatet sind. Auch da muß ich gleich ein paar Sympathiepunkte vergeben. Es lebe der Nischensport!

Biergartenidyll in der Auwiese.
Mittlerweile ist das Leben in der Auwiese ausgebrochen, und emsige Betriebsamkeit herrscht in der Anlage. "Ach so, ich dachte ihr hättet Freikarten. Das wäre mir jetzt gar nicht aufgefallen, wenn du mich nicht darauf angesprochen hättest" erwidert man mir auf meine Frage, wann denn das Kassenhaus öffnen würde. Als ob ich jemals um Freikarten gebettelt hätte. "So, jetzt findet deine Seele endlich Ruhe" sagt mir der freundliche Kassierer, nachdem ich mein Ticket löste.

Ich lasse mir den geplanten Neubau erklären, und frage ein wenig nach der Fanszene in Schwäbisch Hall. Die Sportfreunde besitzen ein kleines, aber treues Publikum. Wie auf so vielen Sportplätzen im Ländle macht es sich nur beim Torjubel bemerkbar, oder bruddelt bei strittigen Entscheidungen vor sich hin. Schals, Fahnen oder Banner wird man in der Kocherstadt vergeblich suchen, auch wenn man von Vereinsseite bemüht ist, dies abzuändern, auch Hall soll seinen Fanclub erhalten. "Gebt dem Mann ein Freibier und eine Wurst, damit er uns im rechten Licht erscheinen läßt" wird noch Richtung Vereinsheim gerufen, als sich rumspricht, das die Eindrücke in einem Blog erscheinen sollen.

Bereits vor dem Spiel gut gelaunt.
Zwischenzeitlich kann ich auch den Normannen guten Tag sagen, der in Hall eingetroffen ist. Im Schlepptau taucht auch der kleine FCN-Anhang auf, Nico Schoch hält aber zunächst alleine die Stellung für die Fangruppe "12. Mann" und wirkt, schwerbeladen, als sei er beim Umzug in eine neue Wohnung. Die Motivation ist dennoch da, und er zeigt sich auch gutgelaunt.

Trommeln für Normannia.
Nico Schoch, der 12. Mann.
Claus Breitenberger beim "fraternisieren".

Das Claus "Bredi" Breitenberger im württembergischen Amateurfussball einen Bekanntheitsgrad genießt wie anderswo ein Rockstar, zeigt sich auch in Schwäbisch Hall, wo er von der Heimmannschaft als alter Bekannter begrüßt wird. Es ist auch wirklich schwer, einen Verein zu finden, den er noch nie besucht hat. TV Derendingen zum Beispiel. Oder den FC Hechingen.










Ein Hauch von Wales.
Halls Yavuz Pacaci erinnert mich
an Rugby-Nationalspieler Adam Jones. 
Das Stadion füllt sich, doch von einem Andrang läßt sich nicht reden. Dass die Auwiese nicht zu den großen Publikumsmagneten zählt war mir bekannt, schockiert bin ich dennoch über 130 Zuschauer. Welche Ausrede müssen die Häller Fans aus dem Hut zaubern? Schönes Wetter?
Die Gmünder Anhang ist zumindest frohgelaunt, und auch ich bin zuversichtlich, endlich die ersten Normannia-Punkte in Schwäbisch Hall einsammeln zu können.

Doch die Mannschaft im roten Dress, die in der Auwiese antritt, ist alles andere als die Elf, die in den letzten drei Spielen überzeugen und durch Kampf zum Sieg gelangen konnte. Die gastgebenden Sportfreunde sind von Anfang an klar besser, wenn auch nicht überlegender. Selten passt das Sprichwort vom Einäugigen, der den Blinden besiegt besser auf ein Spiel als eben jenes.

Das mitgereiste Gmünder Publikum versucht indes, die Mannschaft nach Vorne zu brüllen, verwandelt die Auswärtspartie akkustisch zum Heimspiel. Beim lethargischen Heimpublikum reicht auch ein kleiner Normannia-Anhang. Doch selbst wenn ich zwei schwarz-rote Brillen überziehen würde, nichts kann die verdiente Führung der Sportfreunde in der 33. Minute relativieren.

Manchmal ist es gut, wenn man vom Fußball keine Ahnung hat, denke ich mir, dann muß man beim Anblick eines schlechten Spieles nicht so grausam leiden.

Die Schwerzer-Elf läßt sich entmutigen und von Anfang an bestimmt Hall das Spiel. Auch in Halbzeit zwei ist es der Gastgeber, der gefährlich vors Tor kommt, und wenn Normannia jemals ein unverdientes Wunder nötig hätte, dann heute.

Aber Glücksgöttin Fortuna zeigt sich nicht geneigt, Kampf- und Mutlosigkeit zu belohnen, und so heißt es nach 90 Minuten völlig verdient 1:0 für die Sportfreunde Schwäbisch Hall. "Da hilft auch alles schreien nicht", wie ein gutgelaunter älterer Herr aus Hall zu mir sagt, als ich auf dem Heimweg bin.

Patrick Widmann hält es nicht auf der Bank.
Wiederholungen gefallen nicht. Auch beim 6. Ligaspiel in Schwäbisch Hall geht die Normannia leer aus. Gerne hätte ich der Auwiese zum Abschied eine siegreiche Normannia gezeigt, doch das ist nun dem Sportpark am Kocher vorbehalten. Der FCN verabschiedete sich aus dem altehrwürdigen Stadion, wie er sich 1971/72 vorstellte: mit einem 0:1.

Normannia rutscht ob dieser Niederlage auf Platz 10 ab. Was nach einem kuscheligen Mittelfeld klingt, ist in Wahrheit harter Abstiegskampf, nur 3 Punkte vor dem Relegationsplatz Richtung Landesliga. Und wenn Normannia sich nicht wieder aufrappelt, heißt es bald nicht nur vom Stadion Auwiese Abschied nehmen.

Die Sportfreunde Hall hingegen verschaffen sich etwas Luft nach unten, auch wenn sie ebenfalls nicht aus dem Schneider sind. Ein paar sangesfreudige Heimfans würden diesem sympathischen Verein und seinen freundlichen Helfern jedenfalls guttun. Verdient hätten es die Sportfreunde zumindest.

Spielbericht:
Normannia Gmünd: FCN-Miniserie gerissen!
Südwest-Presse: Hall fährt ersten Heimsieg 2014 ein
Sportfreunde Hall: Hall fährt ersten Heimsieg 2014 ein 

Dienstag, 25. März 2014

Ein Hauch von Bristol - SF Lorch gegen TSV Mutlangen

Mogelpackung. Nicht das Memorial Stadium in Bristol,
sondern der Goldwasen in Lorch.
Bewölkter Himmel, Temperaturen um die 7°C, eine steife Brise aus Nordwest, vierfach geschachtelte blau-weiße Eckfahnen sowie weißhaarige Seebären, die in Seemannsmütze von der Tribüne aufs Spielfeld blicken? Was nach einem Heimspiel der Bristol Rovers klingt, findet man so tatsächlich im Herzen des Stauferlandes, im kleinen Städtchen Lorch. Statt dem salzigen Duft der Nordsee oder anderer maritimer Fläche dringt auf dem Weg zum Sportplatz dann auch nur der Geruch frisch versprühter Gülle an die Nase. Dafür kontert Lorch mit einer Spielfäche im Schatten des weltberühmten Kloster Lorch, der Grablege des staufischen Kaisergeschlechts.

Der praktische Grund, die Nachbarstadt aufzusuchen und dem Spitzenspiel der Kreisliga A Kocher/Rems zwischen den Sportfreunden Lorch und dem TSV Mutlangen zu folgen, waren für mich sehr schwäbischer Natur: dank meiner Wochenkarte muß ich für die Station Lorch kein zusätzliches Fahrgeld bei der Deutschen Bahn investieren.

Allgegenwärtiges Vereins-
wappen der Spfr. Lorch
Die Sportfreunde Lorch wurden 1911 als FC Union gegründet, und schon damals trat man in blau-weißen Dress an. 1913 traten die Fußballer des im gleichen Zeitraum gegründeten FV Lorchia Sportfreunde dem Verein bei. Der Erste Weltkrieg hemmte zunächst die Entwicklung des Fußballsports in der Stauferstadt, die verbliebenen Spieler schloßen sich dem Turnverein Lorch an.

Bereits 1920 entstand mit dem 1. FV Lorch 1911 wieder ein eigenständiger Fußballverein, der 1926 das Gelände des "Goldwasens" kaufte und dort bis heute beheimatet ist. Der Erwerb der vereinseigenen Anlage erwies sich als Glücksgriff. Die dem damaligem Bezirk Rems zugeordneten Lorcher konnten zwar in jener Epoche mit den Gmünder Teams Normannia und DJK nicht konkurrieren, jedoch gehörten sie zusammen mit dem 1. FC Oberbettringen und Teutonia Rechberg zu den heimstarken Mannschaften im Oberamt Gmünd. Im März 1933 sicherte sich Lorch vorzeitig die Meisterschaft in der A-Klasse mit einem 2:1-Sieg im Goldwasen gegen den TSV Heubach. Rund 1.000 Zuschauer wohnten der ruppigen Partie bei, wobei der damalige Berichterstatter attestierte, die Lorcher hätten sich zuerst auf den Mann und dann auf den Ball gestürzt, was die Heubacher vor Angst gelähmt hätte.

"Leise war gestern". Sollte man mal
im Normanniastadion aufhängen.
Mit der "ein Ort - ein Verein"-Politik der Nationalsozialisten war es mit eigenständiger Fußballvereinsarbeit  zunächst vorbei, und in Lorch entstand mit dem Verein für Leibesübungen ein Großsportverein inklusiver Einheitssatzung mit Führerprinzip. Aus dieser Zwangsfusion entstanden nach dem Krieg die heutigen Sportfreunde, die auch den Namen beibehielten, nachdem 1954 die Turner und anderen Nichtfußballer den Verein verließen. Die "goldene Zeit" der Lorcher waren sicherlich die 50er Jahre. 1950 stiegen die blau-weißen in die 2. Amateurliga auf und gehörten ihr insgesamt 5 Jahre an (1950/51 bis 1952/53 und 1958/59 bis 1959/60). 1956 gehörte Lorch zu den Pionieren im Fußball, nachdem man bereits eine Flutlichtanlage erstellte. Bleibende Spuren hinterließ man jedoch nicht, ältere Lorcher schwärmen aber auch heute noch von Partien gegen den VfL Heidenheim, dem 1. SSV Ulm 1928, den Sportfreunden Gmünd, Normannia Gmünd, Göppinger SV, VfR Aalen oder SC Geislingen. Vor allem Auswärts waren die Lorcher gern gesehen, und mit einigen hohen Auswärtsniederlagen haben sie sich in die Annalen der 2. Amateurliga eingetragen (0:10 in Geislingen, 2:7 und 1:8 in Ulm, 0:9 beim VfR Aalen). Nach dem Abstieg 1960 wurde es überregional ruhig um die Sportfreunde, wiewohl sie im Bezirk immer ein Begriff blieben.

Nach mehrmaligen Auf und Ab zwischen Bezirksliga und Kreisliga B stehen die Lorcher im Augenblick auf Rang 1 der Kreisliga A und setzen zum neuerlichen Sprung in die Bezirksliga an, wo so ein Verein meiner Meinung nach auch besser aufgehoben als in der A-Klasse ist.

Mit dem TSV Mutlangen kam allerdings alles andere als Kanonenfutter in den Goldwasen. Die "Heidekicker" - zwar immer die Abstiegsränge im Blick und nach wie vor den Klassenerhalt zum Ziel, stehen selber noch in Aufstiegsnähe. Die Lorcher hingegen wollten sich nicht beeindrucken lassen und boten zum Fußballfestival auf den Goldwasen.

Zügigen Schrittes erreicht man den Goldwasen vom Bahnhof Lorch durch ein Gewerbegebiet und am besagtem Güllefeld vorbei in ca. 15 Minuten. Auf dem Weg dorthin stößt man auch auf eine beflaggte Bayern-Behausung.
Bei meiner Ankunft im Goldwasen streiten gerade die SF Lorch II und der TV Weiler II um Punkte in der Kreisliga B. Weilers Reserve-Elf ist sowas wie der tragische Held im Bezirk, ziert man nach 14 Spielen mit 0 Punkten und 6:76 Tore das Tabellenende der Kreisliga B. Auch bei meinem Besuch kann Weiler II lediglich sein Gegentor-Konto nach Oben schrauben, zieht sich mit 0:1 aber achtbar aus der Affäre.

Zugleich fällt mir beim Goldwasen-Besuch die strikte Einhaltung der blau-weißen Vereinsfarben auf. Ungewöhnlich ist auch das Vereinsheim mit Aussichtsterasse, wo man in sprichwörtlich erhöhter Lage auf die Spieler herabblickt. Diese müssen sogar Treppensteigend in die Umkleidekabinen.


Blau-Weiß, sogar die Beleuchtung.
Früher verzeichnete der Goldwasen vierstellige Zuschauerzahlen.
Selbst bei schweigenden Zuschauern herrscht auf den Aussichtsrängen - so richtig als Tribüne möchte man den ansonsten schönen Komplex nicht bezeichnen - stets Lärm. Direkt hinter dem Vereinsheim verläuft die nie schlafende Bundesstraße 29, und der geneigte Zuschauer ist einem Dauersummton ausgesetzt.

Nach Schlußpfiff der Reservepartie füllt sich langsam der Zuschauerbereich, wobei doch einige Fans in blau-weißen Schals und Mützen der Sportfreunde auftauchen. Auch wenn anzunehmen ist, dass die Mehrzahl davon Vereinsmitglieder sind, so ist diese konsequente Zurschaustellung von Fanartikeln irgendwie sympathisch. Besondere Sympathie geniessen bei mir eine ältere Frau, die ich mal despektierlich "Fußball-Granny" nenne. Im Laufe der Partie fiebert sie mit den Lorchern mit, kann sich nicht ruhig auf der Schranne halten und erweitert meinen Schimpfwörterwortschatz um neue Begrifflichkeiten.

Andere Sympathien erhält der Eingangs erwähnte Marineveteran mit Original Elbsegler bedeckt, für den die kalte Witterung und der schneidige Westwind wohl eher Erinnerungen an seine maritime Vergangenheit weckt.

Mitfiebernder Fußballfan.
Verfolgt gespannt von der "Brücke",
was die Landratten treiben.











Spielgeschehen aus blau-weißer Sicht.
Ein wenig komme ich mir ja schon verloren vor, so mit meiner rot-schwarzen Jacke, die auch vom TSV Mutlangen stammen könnte. Die Lorcher Zuschauer sind sich auch nicht sicher, wie sie mich einschätzen sollen: ist der Kerl ein Mutlanger, oder kommt er behufs seiner Kamera von der Lokalzeitung? Obwohl der Gästeanhang auf der Gegenseite, quasi im "Unterland" versammelt ist, sind nichtsdestotrotz Mutlanger im "Oberland" am Mannschaftsheim auch gern gesehene Gäste. "Ja Martin, was machst du hier?" schallt es von Lorcher Seite einem Mutlanger Betreuer entgegen, der sich gerade ein Glas Hefeweizen gönnt. "Zugucken wie ihr verliert!" kontert er mit einem Lachen beim hinsetzen. Man kennt sich halt. Auch dass ist das nette an der Kreisklasse.

So ein blau-weißes Fansortiment würde mich jetzt auch wärmen.
Das Spiel gestaltet sich zunächst im Interesse der Gastgeber. Die Lorcher sind in der 1. Halbzeit überlegen, spielerisch besser drauf und die Führung scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Indes, die Gäste aus Mutlangen wollen diesen Gefallen einfach nicht erfüllen. Ich jedoch bin mit meiner Wahl zufrieden. Im Gegensatz zum A-Klassenspiel in Schorndorf in der Vorwoche bin ich froh, diese Entscheidung getroffen zu haben. Zum Pausenpfiff habe ich trotz Torlosigkeit keinen Grund zur Klage, einzig der scharfe Wind, der sich durch Mark und Bein seinen Weg bahnt, läßt mich bibbern. "I han vorhin mei Nas' aus 'em Fenschter g'hängt und mir glei a lange Unterhos a'gzoga" höre ich intime Details von einem Nebenmann.

"Freudenhaus"?
Nicht nur ich friere, auch die Zuschauer drängt es zur Pause in das wärmende Vereinsheim oder an den Grill, wo neben Roten und Thüringer ein Goldwasen-Hamburger feil geboten wird. Mit jedem Zwiebelring, der von dort den Hang hinuntergeschleudert wird, nährt sich bei mir der Verdacht, dass dieser Hügel in Wahrheit durch Zwiebelringe aufgeworfen wurde. Zumindest die Schlüsselblumen am Hang scheinen ob des Naturdüngers gut zu gedeihen.

Hinter dem Grill ist man wesentlich geschützter vor dem Westwind, ist dafür dem Grill- und Zigarettenrauch ausgesetzt. Ich beschließe zu warten, bis die Kassierer ihre Runde bei mir vollzogen haben, um dann ein paar Eindrücke vom Spielfeldrand aufzunehmen.


Zwischenzeitlich "ertappe" ich Schiedsrichter Jan Dimitrovski von Makedonija Stuttgart völlig unvorbereitet beim verlassen der Schiedsrichterkabine. Sein strenger Blick rühre daher, meinte er, dass er bei dieser Kälte nicht oben beim Grill stehen bleiben könne, sondern wieder nach unten zum Spiel müsse. Von seinem Blick auf dem Foto ist der ansonsten eher fröhliche Zeitgenosse aber begeistert.

Der Mann mit der Lizenz zu pfeifen: Jan Dimitrovski 
Mittlerweile wird auch mein Eintritt kassiert, ich reiche die 3 Euro rüber, und man kümmert sich schon mit dem Ruf "Freiwillige vor" um die Zuschauer neben mir, bevor sich der Kassierer postwendend an mich richtet und fragt, ob ich eine Dauerkarte hätte oder Eintritt zahlen müsse. Ich, ein klein wenig verwirrt, kläre ihn auf, das ich ihm soeben meinen Eintritt in die Hand gedrückt hätte.

Fußball im Schatten des Klosters.
Nachdem sich die Mannschaften wieder auf dem Rasen im Zweikampf maßen, ich mein Salär dem Verein anvertraut wußte und ich es eh vorhatte, verlasse ich den "Feldherrnhügel der Fußballschlachten" und gehe an die Seitenlinie, näher zum Spielgeschehen.

Mittlerweile drehte sich das Spiel. Nicht mehr die Lorcher Sportfreunde, sondern die Gäste aus Mutlangen beherrschen das Spiel, gewinnen zunehmend die Zweikämpfe, stürmen häufiger aufs gegnerische Tor.


Spielszene aus der 2. Hälfte.
The Swabian Marlboro Man.
Kreisliga, wo Linienrichter noch jubeln dürfen.
Auch zufrieden: TSV-Trainer Tomas Perez.
Und dann passiert auch das längst nicht mehr Unerwartete: Lorch, die Mannschaft, die in dieser Saison das Wort Niederlage noch nie gehört hat, gerät in Rückstand. Völlig verdient zudem. Dem mitgereisten Anhang aus Mutlangen freut es zumindest, und auch der Mutlanger Seitenassistent hält es nicht mehr hinter der Linie.

Die Lorcher sind nun gezwungen, etwas zu tun, stürmen wieder verstärkt in Richtung Tor der Gäste. Der Erfolg bleibt indes aus. Einerseits werden die Angriffe zu sehr mit der Brechstange versucht, andererseits wirkt Mutlangens Abwehr sehr konzentriert.

In dieser "Sturm-und-Drang"-Phase der Lorcher Hausherren fällt dann auch das 0:2. Im allgemeinen Mutlanger Jubel fragt mich TSV-Keeper Tobias Tangl noch nach der restlichen Spieldauer. Restlos beantworten kann ich die Frage leider nicht, kurze Zeit später sammle ich dennoch Pluspunkte bei ihm. Als ich einen ins Toraus geflogenen Ball lässig zurückwerfen will, landet der Ball auf der Bande und prallt wieder zurück in die Wiese hinter dem Tor. Tangl ist aber aus naheliegenden Gründen nicht unglücklich über den zusätzlichen Zeitgewinn.

Der überwiegend Mutlanger Anhang.
Da ich mit beiden Mannschaften nicht verbandelt bin, es zudem kalt und windig ist, beschließe ich die letzten Minuten des Spiels zu schwänzen, um meinen Zug nach Hause zu ergattern. Auch die "Fußball-Granny" (sie möge mir immer noch diese Bezeichnung vergeben) ist schon längst enttäuscht von ihrer Mannschaft, steigt grummelnd und schimpfend ins Auto. Aus der Ferne höre ich dann auch den Schlußpfiff und lautstarken Siegesjubel der Mutlanger. Erstmals in der Sasion unterliegt der Tabellenführer Lorch, und dann auch noch Zuhause. Mutlangen steht plötzlich auf dem zweiten Tabellenplatz, was Relegation bedeuten würde. Von einem Aufstieg will Mutlangens Coach Perez indes nichts hören.  Die Sportfreunde Lorch hingegen sind zwar gestrauchelt, bleiben aber nach wie vor mit 8 Punkten Vorsprung Tabellenführer.

Wie dem auch sei, irgendwie bringe ich den Heimmannschaften bei meinen Abstechern in die Kreisliga Pech. Letzte Woche Schorndorf, heute Lorch. Möglicherweise liegt es aber auch nur daran, dass die Gäste (Hertmannsweiler und Mutlangen) jeweils in roten Trikots aufliefen? Ganz wie meine Normannia eben.

Konzentriert: Tobias Tangl (TSV).
Gestrauchelt, aber nicht gestürzt:
die Sportfreunde Lorch.














Spielbericht:
TSV Mutlangen: Heide-Elf bezwingt den bislang ungeschlagenen Spitzenreiter