Sonntag, 11. Mai 2014

Schwerzer-Husaren und ihre Wechselbäder - FC Normannia Gmünd gegen Neckarsulmer SU


Nach dem 1:0 durch Marius Nuding.
Manchmal gibt es sehr schizophrene Tage. Da verzweifelst Du an der Leistung Deiner Mannschaft, und gleichzeitig hast Du volles Vertrauen in Dein Team. Heute z. B. war so ein Tag, in dem man als Normannia-Fan zwischen Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt sein konnte.

Mit der Neckarsulmer Sportunion kam nicht nur der Tabellendritte in den Schwerzer, sondern auch eine verdammt offensive und torgefährliche Mannschaft.

Persönlich ging ich ja mit gemischten Gefühlen in den Schwerzer, aber in großen und ganzen hatte ich im Gespür, dass meine Normannia heute großes leisten konnte. Im Spiel gegen Bissingen haben die Normannia-Spieler, trotz 0:2-Niederlage, ein sehr gutes Spiel geliefert, und das Endergebnis stand in keinem Zusammenhang zum Spielverlauf. Vermisst wurde lediglich der Torinstinkt, der wohl im Mannschaftsbus verblieb.

Nach wie vor verharrte der FCN auf dem Abstiegsrelegationsplatz. Umso wichtiger war es, gegen den 2009 aus einer Fusion zwischen der SpVgg Neckarsulm in den Sportfreunden Neckarsulm enstandenen NSU auf dem Potenzial des Bissingen-Spiels aufzubauen. Der Aufsteiger aus dem Unterland legte in der Saison eine ordentliche Leistung hin und kann durchaus noch nach Oben schielen. Bundesweit bekannt wurde die NSU durch die Teilnahme am diesjährigen DFB-Pokal durch die Hintertür. Das Finale im WFV-Pokal wurde zwar gegen den 1. FC Heidenheim verloren, aber nach dem Ausschluß von Dynamo Dresden aus dem Pokalwettbewerb rückte die Mannschaft noch als Siebtligist in die 1. Runde nach, wo allerdings der 1. FC Kaiserslautern ein "Wunder von Heilbronn" verhinderte.

Weitaus wichtiger für das Team war der Aufstieg in die Verbandsliga, und somit kam es erstmals seit 1971 wieder zu einem Ligaduell mit der Normannia. Mit der damaligen SpVgg Neckarsulm kreuzte der FCN zweimal die Klingen. 1962/63 - ein furchtbares Jahr für Normannia - gab es in Neckarsulm ein 2:4 und im Schwerzer ein 1:1. 1970/71 dann Auswärts ein 2:3, Zuhause fegten die Normannen die Unterländer mit 4:0 aus dem Schwerzer. Klar, dass ich mir das Ergebnis der Siebziger Jahre auch für heute wünschte.

Im Hinspiel in Neckarsulm ging die Normannia in einem NSU-Orkan mit 1:5 unter. Es blieb zu hoffen, dass die historische Statistik sich ihrer Rolle bewußt wurde und den Ausgang des Spiels entsprechend steuerte: noch nie gewann Neckarsulm ein Ligaspiel in Gmünd. In Neckarsulm hingegen war man weit davon entfernt, sich auf den Lorbeeren des bisher erreichten auszuruhen, und den Ausflug in den Schwerzer auf die leichte Schulter zu nehmen. In der Spielvorschau auf der NSU-Homepage schrieb man dann auch durchaus anerkennend über den FCN und seine Fans. "Die FCN-Fans pilgern aktuell in Scharen ins Jahnstadion um ihr Team lautstark im Abstiegskampf zu unterstützen. Unser Team muss sich also neben einem verbissen um die Verbandsliga-Existenz kämpfenden Gegner auch auf ein enthusiastisches Publikum einstellen." 

Ich muß zugeben, so viel Anerkennung verpflichtet, und wir Gmünder wollten den Macher der NSU-Homepage keinesfalls Lügen strafen.

Große Anerkennung gab es aber auch für mich persönlich. Beim Blick ins aktuelle Stadionheft entdeckte ich doch tatsächlich einen Artikel über mich bzw. den "Spätzleskick", mit einen Auszug zum ersten Teil meiner Serie über das Normannia-Spieljahr 1932/33. Für die Fußball-Nostalgiker und -Historiker: Teil 2 ist übrigens auch schon erschienen.

Dieser "Ritterschlag" hat mich ehrlich gesagt sehr gerührt und kam völlig unerwartet. Auch Fußballvorstand Heinz Eyrainer begrüßte mich im Vereinsheim und bedankte sich für die Berichterstattung im Netz. Für meinen Leib- und Magenverein würde ich das gerne machen, vergewisserte ich ihn, und wir trugen beide die Hoffnung, das ich heute über positive Ergebnisse bloggen werden könnte.

Auch ein Kamerateam hat sich aufgebaut, und ich bin mal gespannt, was die professionellen Kollegen da eingefangen haben bzw., wo ich später das Video einsehen kann.

Der Zuschauerzuspruch enttäuscht ein wenig. Von ganzen Scharen, wie es Neckarsulm schrieb, ist da leider nicht die Rede. Am Vormittag stieg ein Gummientenrennen in der Rems, und beide Ufer waren von Menschenmassen bevölkert. Mit Quitscheentchen können Verbandsligakicker wohl nicht mithalten...

Derweil feilt man bei der Fangruppe "12. Mann" noch an der Technik. Ich verlasse ich da doch lieber auf meine Stimmbänder, sofern sie mich  nicht verlassen.

Wie auch immer, ob schwarz-rot oder rot-weiß, gemeinsam schaffen wir das schon, das Team anzufeuern.


Gleich zu Beginn muß ich mich auf eine kleine Änderung einstellen, im Tor steht weder der angschlagene Magnus Burkhardt noch der angeschlagenere Konstantin Kühnle. Patrick Widmann setzt auf Kai Nestler, der normalerweise in der A-Jugend aufläuft und wie die anderen jungen Spieler heute eine gute Figur machte.










Unter den Zuschauern begrüßt der Stadionsprecher auch zwei Veteranen der A-Jugend-Mannschaft, die 1961 den Titel des Württembergischen Meisters nach Gmünd holte, unter ihnen Peter Bihr, der eigens aus seiner neuen Heimat Guatemala anreiste. Auch zur Unterstützung zugegen die Handballer des TSB Gmünd, die dann am Abend im Hinspiel der Aufstiegsrelegation mit 26:23 gegen Großbottwar gewannen.

Zum Spiel ist zu sagen, dass Normannia tatsächlich an der Leistung des Bissingen-Spiels anknüpfte, nur diesmal wurde der Torriecher aus dem Käfig gelassen. In der 28. Minute bringt Marius Nuding die große Erleichterung ins Stadion, als er den Ball im Gästetor versenkte. Doch Neckarsulm macht das, was man von einer Mannschaft im Rückstand erwartet: gegen den Rückstand ankämpfen. Und so dauert es keine fünf Minuten, und die Führung ist schon wieder egalisiert.
Folgenloses Torraumgewimmel.
Fast postwendend der Ausgleich.
T









Mit 1:1 ging es auch in die Kabinen, und trotz des törrichten Ausgleichstor durfte man als Normannia-Fan zufrieden sein. Wille und Moral stimmen, und mit Zuversicht und fast schon Ungeduld blickte man auf die 2. Halbzeit.

Doch Unverhofft kommt oft. Kaum war die Partie wieder angepfiffen, da brachte Steffen Elseg in der 49. Spielminute die Gäste erneut in Führung! So viele Mäuse, die man melken wollte, gibt es gar nicht. Und besonders schlimm: das Tor war sogar verdient.

Wenn die Zeiten hart werden, dann feuern die Hartgesottenen ihre Mannschaft erst recht lautstark an. Ob die wilden "FCN"-Rufe erfolgreich zum Spielgeschehen beitrugen, ist ungewiss. Aber es scheint gereicht zu haben, um die Himmelsschleusen zu öffnen, und für Normannia-Wetter im Schwerzer zu sorgen. Bislang war es lediglich windig, aber angenehm. Nun vertrieb uns der Regen unter schützende Gefilde.










Aber während sich alles unter das schützende Dach drängt, hält es mich dort nicht. Ich muß die Mannschaft anfeuern, spüre den Drang, das Team nach Vorne zu peitschen und schließe mich daher als "Gastarbeiter" der Fangruppe "12. Mann" an, die unbeeindruckt auch dem Wetter trotzt. Auch Mario kommt nicht umhin, dem Regen keine Beachtung zu schenken und den Jungs in Rot seinen Support zukommen zu lassen. Aus Richtung Tribüne schallten heute geschlossene "Normannia"-Rufe - dargebracht von der Fußballjugend - aufs Spielfeld. Glänzend!

Es regnet? Normannia-Fans sind nicht aus Zucker!

Erlösung bringt der Kapitän. In der 79. Minute versenkt Beniamino Molinari per Kopf den Ball im Netz, das hochverdiente 2:2. Großer Jubel bei den Anhängern. Noch in den Schlussminuten hätte er beinahe noch ein 3-Punkte-Spiel gezaubert, jedoch war das Glück in diesem Moment mit den Neckarsulmern.

Nach diesen 90 Minuten im Wechselbad ist das Ergebnis schwer einzuordnen. Da aber die direkte Abstiegskonkurrenz Federn ließ, kann man nach dieser großartigen Mannschaftsleistung von einem echten Punktgewinn reden. Zudem kann man ob der von der Mannschaft erbrachten Leistung mit Zuversicht in die letzten Spiele gehen. Diese Normannia muß sich vor niemanden verstecken und schafft den Klassenerhalt! Lediglich beim Zuschauerzuspruch konnten die Schwerzer-Husaren heute gegen die Gummienten der Landesgartenschau nicht punkten. Aber wichtiger war, das seit über 50 Jahren keine Neckarsulmer Mannschaft im Schwerzer gewonnen hat. Und dies auch 2014 so blieb.

Rote Schwerzer-Husaren. Auch ein Unentschieden kann ein Sieg sein.


Spielberichte:
Neckarsulmer SU: Gerechtes Remis für die NSU in Schwäbisch Gmünd
Neckarsulmer SU: Video zum Spiel
Normannia Gmünd: Sonderlob für die Jungen

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