Sonntag, 12. Oktober 2014

Derendinger Höhenflüge ohne Moonwalk - TV Derendingen gegen Wacker München und TSV Glems

Erfolg macht durstig - Halbzeit in der Regionalliga-Partie.

Was macht eigentlich mein Zweitverein, der TV Derendingen 1900, mit dem ich ja eine Art "Fernbeziehung" führe? Die Männer hatten es bekanntlich nicht geschafft, noch an der Relegation zur Landesliga teilzunehmen, aber die Frauen stiegen nach einer spannenden Saison in die Regionalliga Süd auf, wo sie nun gegen sehr illustre Namen antreten.

In der Tübinger Gartenstadt war man zu Beginn der Saison 2014/15 auch nicht müßig, wohlwissend, das die Fußballgötter vor dem Erfolg den Fleiß gesetzt haben. Nichtsdestotrotz war man am "kleinen Bökelberg der Steinlach" nicht minder überrascht, einen bislang zufriedenstellenden Saisonstart hingelegt zu haben.

Im ungewohnten Umfeld der Regionalliga Süd bewiesen sich die Fußballerinnen des TVD als kecker Neuling, und zeigten mit je einem Sieg, Unentschieden und Niederlage in drei Spielen zwar Nerven, aber keineswegs Angs vor großen Namen. Wesentlich überraschter ist man in der Steinlach von den Männern, die nach 7 Spieltagen entgegen allen Erwartungen völlig überraschend auf Platz 1 in der Bezirksligatabelle lagen.

Für meinen Sonntagsausflug nach Tübingen - auf den ich mich auch schon richtig freute - wählte ich die Begegnung gegen Wacker München bei den Frauen und gegen TSV Glems bei den Männern.



















Der FFC Wacker, 1999 aus der Frauenfußballabteilung des Münchner Traditionsvereins FC Wacker entstanden, spielte sogar schon in der Frauenfußball-Bundesliga, vom TSV Glems habe ich ehrlich gesagt noch nie was gehört und kann über diesen Verein gar nicht so viel erzählen, taucht er noch nicht mal in den Tabellen der alten 2. Amateurliga von 1950 - 1978 auf.

Besonders neugierig war ich natürlich, wie sich die TVD-Frauen in der für sie ungewohnten Umgebung der Regionalliga schlagen werden. Nach drei Spieltagen wies man eine ausgleglichene Bilanz von einer Niederlage, einem Unentschieden und einem Auswärtssieg auf, während der Ex-Bundesligist mit zwei Siegen und einem Unentschieden im Gepäck an die Steinlach fuhr.

Die Zugfahrt erwies sich trotz Landesgartenschau und Volksfest als recht angenehm, und mein Besuch in Tübingen war zudem durch regelrechtes "Kaiserwetter" belohnt - da sollte doch eigentlich nichts mehr schiefgehen!

Bei meinem zügigen Spaziergang vom Tübinger Hauptbahnhof zum "kleinen Bökelberg" an der wie immer sehr von Joggern, Spaziergängern und Radfahrern sehr belebten Steinlach entlang spürte ich dann auch mit jeden Schritt eine Art "Heimkehr" in mir aufkommen. Und als dann endlich der Maultaschentempel des TVD-Vereinsheim in Sicht kam, war das Heimweh an diesen kleinen, unspektakulären Sportplatz endlich gestillt.

Derendinger Maultaschen-Tempel - Auch ohne Fußball
einen Besuch wert.

Auch zukünftige Zuschauer säumen
den Spielfeldrand.
Fußballballett der zweiten Mannschaft.











Bei meiner Ankunft bekleckerte sich gerade die zweite Herrenmannschaft in der Kreisliga B nicht mit Ruhm und Ehrenlorbeer gegen die zweite Mannschaft des TSV Gomaringen. Stand es beim Pausenpfiff noch 1:2, so ging das Spiel letztlich 1:4 verloren. Viel Zeit zum zuschauen hatte ich bei der Zweiten ohnehin nicht. Von weitem kam mir schon Helmut "Tschumle" Thurner entgegen, und begrüßte dann auch den "verlorenen Adoptivsohn des TVD" vom Remstal. Wie immer wurde ich sehr herzlich willkommen geheißen, und wir können erstmal in Ruhe über die Geschehnisse seit meinem letzten Besuch reden.

Zwar sind neue Auswärtsfahrten in der Regionalliga hinzugekommen, jedoch kommt Derendingen dabei relativ gut weg - wie eine Spinne liegt es zentral im Netz, und im Vergleich zu anderen Mannschaften der Liga hat man längst nicht so horrende Fahrten auf sich zu nehmen.

Dennoch kommen natürlich gestiegene Kosten für die Busfahrten hinzu. Um diese ein wenig zu reduzieren, bietet man neuerdings den Fans an, bei Auswärtsfahrten im Mannschaftsbus mitzufahren. Somit werden nicht nur die Ausgaben sowohl für Mannschaft als auch Fans gesenkt - man überlege, Busfahrten nach München, Frankfurt oder Wetzlar zum Dumpingpreis - sondern erhofft auch eine Unterstützung des TVD bei Auswärtsspielen.


Auch im Sportplatzbau ist Bewegung in die Sache gekommen - so wird der Sportplatz in alter Albvereinsmanier ein wenig wandern, um Platz für eine Stufenterasse zu schaffen.Der alte, begrünte Hang - zugegebenermaßen Fußballromantik pur, aber leider nicht mehr zeitgemäß - wird dann verschwunden sein.

Alles in allem liegt man also in Tübingen trotz Höhenflüge nicht auf der faulen Haut.


Funktioniert nur in Bayern.
"Vroni" auf dem Trikot.
Wie (fast) immer ist ja Supersonntag in Derendingen. Aus organisatorischen Gründen und um das Ehrenamt zu entlasten wird stets versucht, die Heimspiele des TVD an einen Tag stattfinden zu lassen. Und so ging es dann auch nahtlos weiter. Kaum das die zweite Mannschaft das Spielfeld verließ, standen sich die Spielerinnen des TVD und ihre Gäste aus der bayerischen Landeshauptstadt gegenüber. Bayerischen Humor, das mußte man den Wacker-Spielerinnen eingestehen, den hatten sie. Denn das Trikot der Torhüterin Veronika Gratz war mit "Vroni" beschriftet - dafür gibt es von mir einen dicken Sympathiepunkt.







Beschwörungen vor dem Spiel. Wacker in Schwarz, TVD in Rot.

Trotz des zugegebenermaßen originellen Torwarttrikots reicht der Sympathiepunkt natürlich nicht aus, meinem TVD untreu zu werden. Im Gegenteil - in einer sehr spannenden Partie benötigt Derendingen jegliche moralische Unterstützung, den Wacker leistet mit der Heimmannschaft einen offenen Schlagabtausch - sehr zur Freude der 170 Zuschauer, denen keine Langeweile aufkommt.

Spielführerin Nina Weiß - von der Wacker-
Abwehr verfolgt.
Tina Wurster auf der Suche nach einer
Anspielpartnerin.











Der TVD kennt keine Angst vor großen Namen. Wozu auch? Unermüdlich beackert man das Münchner Tor, so dass "Vroni" auch allerhand zu tun bekommt. Ihr Gegenüber, Melanie Bölzle im Tor des TVD, hat im Gegenzug allerdings auch keinen beschaulichen Nachmittag. Komme was wolle, der TVD geht verdient in Führung. In der 30. Minute nutzt Andrea Lorenz ein Gedränge im Wacker-Strafraum, und kann in diesem Durcheinander den Ball über die Torlinie befördern, womit sie sich nicht nur in die Torjägerinnen-Liste eintrug, sondern auch in die "Schwitzkasten-Elf des Tages" des Schwäbischen Tagblatts.
... an Torhüterin Veronika Gratz vorbei ...
Keine leichte Sache. Durch die Beine
von Rebecca Huyleur ....











... zum verdienten 1:0 für Derendingen!

Laßt der Frau doch etwas Luft zum atmen!

Kurze Zeit später hat Tina Wurster sogar die 2:0-Führung auf den Füßen, doch ihr Schlenker geht zu elegant an Vroni und dem Wacker-Tor vorbei.

Noch einmal Glück für München.
Kurz vor Seitenwechsel rappelt es aber dennoch in der Kiste - und wie! Selina Zürn kommt zu ihrem ersten Treffer für den TVD, indem sie eine Ecke verwandelt. War noch jemand dran? Möglich, schmälert aber den spektakulären Treffer in keiner Weise.

... und Tor! 2:0 für Derendingen!
Einfach geil: Eckball ....











Mit dem Seitenwechsel kann Trainerin Theresa Merk mit dem Spiel ihres Teams zufrieden sein, und das zeigt sie dann auch. "Zwei Tore mehr hätten es aber dennoch sein können" meint sie nicht zu unrecht, denn zur Pause hätte Derendingen locker 4:1 führen können.



In der zweiten Hälfte versuchte München, das Spiel herumzureissen, und greift verstärkt den TVD an. Einmal mehr zeigte Derendingen eine sehr geschlossene Mannschaftsleistung. Da war nie ein zurückstecken, stets ein attackieren, und die Abwehrleistung war wohl auch der Schlüssel für den verdienten 2:0-Sieg, der den kecken Aufsteiger den 4. Platz in der Tabelle brachte. Gut, Glück gehört auch dazu, denn die ansonsten gut leitende Schiedsrichterin Michelle Gerullis übersieht einen klaren Handelfmeter für Wacker München, der diese womöglich noch einmal zu einem Sturmlauf in der Schlußphase inspiriert hätte.

Vom Seitenaus schaut Cosima Schneider einer Flanke
von Münchens Tamara Kümmerle zu.

Hielt ihren Kasten sauber: Melanie Bölzle
Die Mannschaft ist in der Regionalliga angekommen, eindeutig. Die Truppe um Trainerin Merk überzeugt nicht nur spielerisch, sondern ist auch noch nach wie vor mit Spaß am Ernst der Sache.

Ist der Höhenflug der Frauen schon beeindruckend, so überraschen die Männer in der Bezirksliga Alb umso mehr. Fast schon in Rumpfelf-Stärke - Urlaub und Krankheit sorgen nicht gerade für gefüllte Auswechselbänke - hat sich die Mannschaft auf den ersten Tabellenplatz eingenistet. Und das nicht mal gegen eine Schar von Unbekannten. So wurde z. B. im Lokalderby Traditionsverein SV 03 Tübingen mit 4:1 von der Steinlach verabschiedet, und lediglich der bärenstarke Croatia Reutlingen hat bislang die Steinlach-Elf bezwungen.

Schichtwechsel. Unter Führung von Schiedsrichter Robert Todt
betreten die TVD-Herren die Arena. Der Mann mit dem Koffer
ist der unermüdliche TVD-Tschumle, Helmut Thurner.

Nun also der ambitionierte Aufsteiger TSV Glems, der mit 4 Auswärtsspielen in Folge in die Saison gestartet ist. Für die Derendinger kam nicht nur der kleine Kader erschwerend hinzu - nein, die Spieler feierten mit ihrem Trainer Peter Kaschuba in dessen 50. Geburtstag hinein, der dummerweise auf den Spieltag fiel. Die Frage war, ob die Mannschaft sich beim feiern ausgelaugt hat. Oder war das gar eine perfide Verschwörung? Schließlich trat Peter Kaschuba früher selber gegen den TV Derendingen an, und bereitete - wie meine Recherchen im Zeitungsarchiv ergaben - als Spielertrainer des TSV Eningen mehr als ein Tor gegen den TVD vor. Alles natürlich nur Spaß, die Mannschaft feierte mit dem Trainer moderat in den Geburtstag, und keine Verschwörungstheorie hält einer Prüfung stand, auch wenn leere Versprechungen gemacht wurden. Denn ein Tor gegen Glems sollte mit einem Moonwalk gefeiert werden, indes, die eingeweihten Zuschauer warteten vergebens.











Für mich sollte es eine Premiere geben: eilte ich in meinen beiden letzten Besuchen immer zur Halbzeit der Bezirksliga-Partie zurück zum Bahnhof, so wollte ich diesmal der Mannschaft meine Referenz erweisen und bis zum Schluß die Partie beobachten. Ich wurde für meine Geduld belohnt.

Kapitän Philipp Braun.
Glemser Sonnenbank.











Ein bisschen Mitleid habe ich ja mit den Ersatzspielern der Glemser, die in der prallen Sonne sitzen. Eine echte Sonnenbank eben.

So sehr die Derendinger auch kämpfen - es sind die Glemser, die den Ball ins Netz befördern. In der 26. Minute gibt es durch einen Treffer von Jann Stieffel die zu diesem Zeitpunkt verdiente 1:0-Führung der Gäste, die auch in der Folge nicht egalisiert wird.






Die zweite Halbzeit beginnt spektakulär. Auf der Torlinie verhindert der Glemser Sami Abdallah eher reflexartig den sicheren Torschuß mit der Hand, und schwächt damit seine Mannschaft mit dem völlig zurecht ausgesprochenen Platzverweis. Der fällige Strafstoß wird dann auch durch Mohammed Arfaoui sicher verwandelt - 1:1!

Handspiel!
Und Platzverweis.


Keine Chance beim 1:1.
Aber wie der Teufel es will - keine zwei Zeigerumdrehungen später gehen die Gäste wieder in Führung, was, und da wird der Hund echt in der Pfanne verrückt, in einer weiteren Zeigerumdrehung zum erneuten Ausgleich führt. Was für ein verrücktes Spiel.

Und noch ein Torjubel - Insgesamt dreimal darf der TVD sich feiern.

In der 83. Minute ist es einmal mehr Mohammed Arfaoui, der den 3:2 Endstand herstellt. In der Schlußminute muß Keeper Alex Lange noch zweimal hintereinander eine wahnsinnige Parade hinlegen - aber dann ist die Partie vorbei. "Spitzenreiter! Spitzenreiter!" - mit diesem Ruf dürfen sich die Spieler feiern, denn ein besseres Geschenk konnten sie ihrem Coach zum Geburtstag gar nicht machen.

Küsschen fürs Geburtstagskind,
Lorbeer für den Sieger.
Grund zum feiern:
Philipp Braun und Alex Lange






















Es war ein großartiger Fußballtag, und eine weise Entscheidung von mir, mit dem Spätzug nach Hause zu fahren. Nach diesem Doppelerfolg durfte ich die Derendinger Gastfreundschaft genießen, die allerhöchstens vom kleinen gallischen Dorf im Römischen Reich übertroffen wird. Obwohl - ein klein wenig wie das gallische Dorf scheint ja die Tübinger Gartenstadt auch zu sein, umgeben von seinen Fußballnachbarn, die sie immer wieder bezwingen wollen.

In Derendingen bleibt man mit den Füßen auf den Boden - bei den Frauen, wie bei den Männern. Natürlich genießt man den Höhenflug, und niemand, absolut niemand hätte mit der Führung in der Bezirksliga gerechnet. Man weiß dort, dass auch wieder andere, magere Tage kommen werden. Aber hoffentlich lassen diese noch lange auf sich warten...

Es ist kurz vor 23 Uhr, als ich endlich Zuhause bin. Ob es jemals eine Partie der Männer gegen Normannia geben wird? Träumen wird man ja wohl dürfen. Die Tischtennisspieler hatten das mal vorgemacht. Da schlug Derendingen Normannia mit 9:3. Aber Tischtennis spielt man bei der Gmünder Normannia längst nicht mehr.

Macht ja nix - ich komme auch so wieder zum "kleinen Bökelberg an der Steinlach".







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