Montag, 13. April 2015

Zeitenwende - Sportfreunde Schwäbisch Hall gegen 1. FC Normannia Gmünd



Lorbeer für den Sieger - Normannia nach einem historischen Sieg

"And gentlemen in England now-a-bed
Shall think themselves accurs’d they were not here,
And hold their manhoods cheap whiles any speaks
That fought with us upon Saint Crispin’s day."
William Shakespeare, Henry V.

Es dauerte mehr als ein Schwabenalter um Geschichte zu schreiben. Aber das warten hat sich wohl gelohnt, und "Edelfans in Gmünd, jetzt vor Sky Sports, verfluchen einst, daß sie nicht hier gewesen, und werden kleinlaut, wenn nur jemand spricht, der mit uns focht in Schwäbisch Hall". Pathetische Worte, gewiss, aber man wird nur selten Zeitzeuge einer Zeitenwende.

Doch zunächst ein Griff ins verstaubte Archiv des Spätzlesblogger, um diese Gefühlswelten nachvollziehbarer zu machen. Wir schreiben den 19. Dezember 1971, und im Normanniastadion siegt die Schwerzerelf in der 1. Amateurliga Nordwürttemberg - damals immerhin dritthöchste Spielklasse - gegen den Aufsteiger aus Schwäbisch Hall mit 2:1, nachdem das Hinspiel in Hohenlohe am 5. Spieltag mit 1:0 verloren ging.

Was damals niemand ahnen konnte - für über 40 Jahre blieb das der einzige Erfolg der Normannen in einem Ligaspiel. Zugegeben, Schuld daran war zum Teil, das weder Hall noch Gmünd besonders häufig aufeinandertrafen - sowohl die Sportfreunde als auch die Normannen hatten seit 1971 ihre Hochs und Tiefs. Erstaunlich ist es  aber schon, wenn man sich vorstellt, das vom aktuellen Team beim letzten Normanniasieg noch niemand geboren war, Fußballbereichsleiter Heinz Eyrainer noch selber aktiv gegen den Ball trat und ich noch völlig sorglos in die Windeln machte. Auch im Fußball änderte sich seitdem viel - keine 1. Amateurliga mehr, kein SV Rehnenhof, der in derselben auf Normannia traf, und auch vom TSF Esslingen hört man lange nichts mehr. Eine ausführlichere Geschichte der Haller Sportfreunde hatte ich beim ersten Besuch 2013/14 geschrieben.

Für die Schwerzerelf um Beniamino Molinario sind solche historische Statistiken sicherlich ein nettes Schmankerl, mehr aber auch nicht. Denn die volle Konzentration der Elf aus der Stauferstadt gilt der aktuellen Lage, und die Spielfreude, die die Mannschaft an den Tag legt, ist eine gute Werbung für den Amateurfußball und muß einen Vergleich mit der Vergangenheit nicht scheuen.

Direkter Vergleich (nur Liga)
Das Stadion Auwiese, in der Vergangenheit Spielort gegen Normannia, ist mittlerweile Geschichte und wird immer noch zu einer neuen Kocherarena umgebaut. Daher fand die Partie heuer im Schenkenseestadion statt, das seine besseren Tage erlebte, als Adenauer noch Bundeskanzler war. Als Leichtathletik-Arena konzipiert, ist die Sicht auf das Spielfeld äußert ungünstig, aber die Tartanbahn verbreitet Lust auf ein 400-m-Läufchen oder Intervalltraining. Das nächste aufeinandertreffen beider Teams wird also in einem schicken kleinen Amateurstadion stattfinden. Für Hall möchte ich hierbei hoffen, das auch mehr Zuschauer den Weg zu den Sportfreunden finden. Denn obwohl die Kocherelf einen ansehnlichen und durchaus erfolgreichen Fußball spielt, gehört das Team nach Zuschauerzahlen zu den Schlußlichtern der Verbandsliga.



Gaetano, ein echter "alder Seggl"
Nach Schwäbisch Hall zu gelangen, ist zwar nicht unmöglich, aber doch etwas umständlich. Nicht unerfreut waren wir beide "alde Seggl" Mario und ich, das uns Gaetano Molinari einlud, ihn in die Kochermetropole zu begleiten. Als dank - und weil er es nun auch wirklich verdient hat - überreichten wir Gaetano einen "Alde Seggl"-Schal, den er auch dankbar annahm und Stolz während dem Spiel trug. So einen Schal kann man nicht kaufen, sondern nur verdienen, und die Grundqualifikation für "alde Seggl" hat er ja erfüllt: die silbergrauen Haare.

Bredi als doppeltes Unikat
Apropos Geschenke: Für Claus Breitenberger alias "Bredi" hatten sich die Sportfreunde aus Schwäbisch Hall eine besondere Überraschung ausgedacht. Er bekam ein Unikat des Stadionheftes ausgehändigt mit einem Foto aus dem Hinspiel, das ihn mit Halls Dennis Ruiz-Maile zeigt. Eine ausgezeichnete Idee und ganz großer Sport des Ligakonkurrenten aus dem Hohenlohischen.





Apropos "Alde Seggl": unser optisches und moralisches Vorbild war ebenfalls mit von der Partie und zierte die Bande im Schenkenseestadion, um den von Nico Schoch drapierten Banner- und Fahnenmeer Gesellschaft zu leisten.

Auftakt zum Showdown am Kocher
Selbstverständlich strotzten wir aus einer Mischung von Selbstbewußstein und Galgenhumor - nicht umsonst suchte ich immer eine Tasche, um die Punkte einzupacken - aber so selbstsicher war zumindest ich nicht. Das späte Gegentor im Spiel gegen Göppingen lag noch unverdaut wie ein Stein in der Magengrube, und einmal mehr lernte auch ein Normannia-Anhänger, dass ein Spiel neunzig Minuten dauert, ein Ball rund zu sein hat und Bäre ihre Felle erst ablegen, wenn sie tatsächlich ausgebreitet vor dem Jäger liegen.



90 Minuten schräge Fangesänge und lauthalses Herumgrakelen sind natürlich antrengend, aber wir taten unser bestes und ich hoffe zumindest, das wir uns gräuslich anhörten. Auf der Gegengerade, wo die kleine Sprecherkabine stand, hörten wir uns bestimmt an wie ein Hund, den eine Planierraupe über die Pfoten fährt. Also allerbeste Einschüchterungsqualität. Derweil begrüßte der Sprecher die Gäste aus Normannia Gmünd, nicht Schwäbisch Gmünd.
Gaetano und wie er das Spiel sah.
Torraumszene vor dem Haller Tor.











Die erste Halbzeit im windumspielten Schenkensee gehörte den Gastgebern, das muß man neidlos eingestehen, wenn auch die Überlegenheit nicht drückend war. Aufregung herrschte alsbald, als ein Handelfmeter gegen Normannia gepfiffen wurde. Düstere Vorahnungen kamen in mir auf, aber Magnus Burkhart bewies, das ich von Fußball keine Ahnung habe, indem er eiskalt wie Bruce Willis den Elfer parierte.


Zur Sättigung in der Halbzeitpause bot der Heimverein Stadionwurst, Rostbratwurst und Fleischküchle nebst einigen Kuchen an. Ansprechender war hingegen das Haller Löwenbräu.

Rechts das Banner, links der einzige tapfere und lautstarke
Fan der Sportfreunde Schwäbisch Hall.
Die zweite Halbzeit hatte es - wie bei Normannia schon fast üblich - in sich. Die Schwerzerelf spielte wesentlich besser auf oder die Haller waren von ihren vergebenen Chancen aus der 1. Hälfte deprimiert - was auch immer es war, es kam die Gmünder Stunde.

In der 60. Minute schlug sie dann auch wirklich und leibhaftig. Marvin Gnaase trägt sich nämlich in die Torschützenliste ein, bringt plötzlich Hoffnung zu den Fans, diese fast 44jährige Schmach endlich nicht wieder geschehen zu lassen.

Der Schiri zeigt zur Mitte, die Normannia-Spieler jubeln:
Marvin Gnaase hat das 1:0 für Gmünd erzielt.
Jetzt begann sie wieder, diese schrecklich lange Phase bis zum Schlußpfiff. Natürlich rückte Hall jetzt verstärkt auf, aber wesentlich konzentrierter als sonst schienen die "Boys in red" ihre Sache in der Abwehr zu erledigen. Große Aufregung herrschte beim Normannia-Anhang, als Gabriel Simion für unseren Geschmack viel zu lange nach einer Verletzung am Spielfeldrand verharren mußte, ehe der Schiedsrichter ihn endlich reinwinkte.










Felix Bauer macht die Geschichte amtlich: 2:0
Und dann, als immer noch die Furcht mitspielte, Hall könne in der Schlußphase doch noch den Dreier versauen, da machte Felix Bauer in der 87. Minute den Sack zu und schlug ein neues Kapitel in der Geschichtsschreibung der Normannia auf: 2:0, und der lange Fluch ward endlich endlich gebrochen, und das auch noch Auswärts!













"And we were singing, hymns and arias..."

Es ist vollbracht! 44 Jahre sind auch wirklich genug. Und das waren die Recken des 11. April 2015: Magnus Burkhardt; Jochen Baß; Marcel Funk (46. Manuel Seitz); Patrick Krätschmer; Felix Bauer (87. Daniel Glück); Marvin Gnaase; Gabriel Simion; Mihael Jakovljevic; Guiseppe Catizone (75. Timo Zimmer); Musa Ayaz und Tobias Ex. Den Trainer Beniamino Molinari natürlich nicht vergessen. Merkt euch die Namen gut: womöglich dauert es wieder 44 Jahre, bis ein neues Team einen Sieg in Schwäbisch Hall holt.

Wenigstens die Erfolglosigkeit in Hall hat sich geändert. Gleichgeblieben ist nur mein Wunsch für Schwäbisch Hall von der Vorsaison: das der Verein mehr Zuschauer ins Stadion lockt. Aber vielleicht bringt ja wirklich der neue Sportpark auch neue Impulse in die Stadt.


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