Dienstag, 26. Mai 2015

Duell der alten Damen - 1. FC Normannia Gmünd gegen FV Olympia Laupheim

Gemeinsam für den Amateurfußball

Wenn der 1. FC Normannia Gmünd gegen den FV Olympia Laupheim spielt, dann ist das schon eine sehr interessante Konstellation. Beide Vereine wurden 1904 gegründet und feiern somit 2015 ihren "einundelfzigsten" Geburtstag. Aber es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten, wie z. B. die lange Tradition des Stadions oder der lange Fortbestand ohne nennenswerten Fusionen oder Namensänderungen. Zudem ist in der Verbandsliga Württemberg Olympia neben Normannia der einzige Verein mit einem "richtigen" Vereinsnamen, und nicht nur ein schnödes TSV oder 1. FC. Und der FV Olympia hatte sogar früher einmal eine Radball-Abteilung, was ihn wieder mit Normannia verbindet. Zu guter letzt: eine Mannschaft, die einen Jablonski in den Reihen hatte (1969/70), muß einfach sympathisch sein.

Trotz dieser Tradition und der langen gemeinsamen Geschichte trafen sich beide Vereine nur sehr selten in einer Liga, neben der aktuellen Saison schon 1950/51 in der Amateurliga Württemberg sowie noch einmal in der Verbandsliga Württemberg 2003/04, als beide Vereine ihre Hundertjahrfeier hatten.

Mahnmal für die gefallenen
Olympianer zweier Weltkriege

Aber langsam der Reihe nach. Am 4. April 1904 gründeten elf junge Laupheimer im Gasthaus "Paradies" den Fußball- und Faustballclub Olympia Laupheim, der Verein ist damit sogar ein paar Monate älter als die Normannia. Zudem ist Olympia einer der ältesten Fußballvereine Oberschwabens. Am 14. Dezember 1904 schloß sich der FV Germania 04 dem Club an. Aus dieser frühen Vereinsphase liegt in meinem Archiv nichts vor, im 1. Weltkrieg kam der Fußball in Laupheim wie Andernorts zum erliegen.


Seit dem 26. Februar 1919 hat der Verein seinen heutigen Namen, FV Olympia 04 Laupheim. Auch sportlich ging es bei den Olympianern bergauf, bis 1921 war die A-Klasse erreicht, 1927 konnte gar der Aufstieg in die damals zweitklassige Kreisliga erreicht werden. Zum damaligen Zeitpunkt gehörte Oberschwaben Fußballtechnisch zum Bezirk Südbayern. Erst 1933/34 ging es für Laupheim in württembergische Ligen, wo 1934 gar der Aufstieg in die Bezirksklasse gefeiert werden konnte. In der Abteilung 5 (Bodensee) trafen die Olympianer auf Mannschaften wie VfB Friedrichshafen, Mengen oder Biberach, in den Folgejahren auch auf Ulm.

Bezirksklasse (2. Liga) im Oktober 1937.
Laupheim siegreich gegen Weingarten, Normannia in Schorndorf
Ein großer Sprung nach Oben in die Gauliga gelang den Laupheimer indes nie. 1938 mußten die Laupheimer die Staffel wechseln. Nachdem durch den sogenannten Anschluß Österreichs die Bodensee-Staffel mit Vorarlberg vereint wurde, spielten die Laupheimer nun in der Staffel Alb gegen Eislingen, Uhingen oder Göppingen, während Normannia in die Staffel Stuttgart wechselte. Im Zweiten Weltkrieg war Laupheim der 1. Klasse Ulm zugeteilt.

Mit Kriegsende 1945 wurde Olympia Laupheim wie alle Vereine in der französischen Besatzungszone aufgelöst und unter neuem Namen als Großsportverein wiedergegründet. Im Falle Laupheims bedeutete dies 1946 die Neugründung als SV Laupheim, wobei der Tennisclub und der Turnverein 1862 miteinflossen. Mit einem 6:1 in Weingarten gegen den SV Biberach qualifizierte sich der Club für die Zonenliga Südwest, Gruppe Süd, wie die Oberliga in der französischen Zone hieß. Allerdings stiegen die Laupheimer in der Saison 1947/48 gleich wieder ab. Als TSV Olympia Laupheim ging es 1948 in der Amateurliga Südwürttemberg weiter, und ab 1950 trennten sich die Wege des TSV 1862 Laupheim und des FV Olympia Laupheim.

1950 erfolgte die Vereinigung des Nord- und Südwürttembergischen Fußballverbandes zum heutigen WFV. Gleichzeitig erfolgte die Einführung de gemeinsamen 1. Amateurliga Württemberg, die allerdings sehr chaotisch aus der Taufe gehoben wurde. Während die ersten Mannschaften (u. a. Normannia) bereits die ersten Punkte ermittelten, standen noch gar nicht alle Teilnehmer fest. Laupheim mußte durch die Mühlen der Qualifikation gegen den SC Schwenningen, Trossingen und dem FC Tuttlingen, und ursprünglich landete der Club nur auf Platz 3 hinter Schwenningen und Trossingen und hätte sich normalerweise nicht qualifiziert. Normalerweise. Denn während die Saison schon lief, wurden die Schwenninger vom Rechtsausschuß des DFB nachträglich disqualifiziert und Laupheim in das württembergische Oberhaus gerückt. Ironischerweise mußten die Laupheimer nicht nur den Ligaplatz des SC Schwenningen übernehmen, sondern auch dessen bereits absolvierten Ergebnisse! Und somit hatte Olympia bereits 1:3 Punkte, als der Club am 30. September 1950 mit einem Heimspiel gegen Weingarten ins Geschehen eingriff. Denn Schwenningen unterlag in Untertürkheim mit 1:2 und spielte beim Lokalrivalen VfR Schwenningen 0:0 - und diese Ergebnisse werden in der einschlägigen Literatur auch heute noch dem FVOL zugeschlagen, der doch daran völlig unschuldig war. Zu allem Unglück stieg man auch gleich ab - mit einem Punkt Rückstand auf Normannia Gmünd...

Es folgten 10 Jahre in der 2. Amateurliga, wobei der Club 1958 noch einmal ans Tor zur 1. Amateurliga klopfte und in den Aufstiegsspielen erneut auf Normannia traf, jedoch scheiterten beide Teams. So blieb es der Gründung der Schwarzwald-Bodensee-Liga vorbehalten, die Oberschwaben wieder nach Oben zu befördern. Mit Karl Glaser und Alfred Neubrand gingen sogar zwei Spieler an den Start, die noch 10 Jahre vorher in der 1. Amateurliga dabei waren.

Tribüne von 1966.

Spuren der Vergangenheit: Ajax was here.
1964 war dabei ein doppel denkwürdiges Jahr für den Verein. Zum einen brannte das Vereinsheim ab, zum anderen wurde erstmals das berühmte Jugend-Osterturnier veranstaltet, der berühmte Mannschaften wie Arsenal London, Galatasary Istanbul, Bolton Wanderers oder Ajax Amsterdam ins Olympiastadion brachte und teilweise bis zu 10.000 Zuschauer begeisterte sowie Kamerateams der ARD-Sportschau nach Laupheim führte. 2013 wurde das Turnier eingestellt.


1967 erfolgte der erste Abstieg aus der SWBL, allerdings konnte der Verein 1970 Meisterschaft und Wiederaufstieg feiern. Bereits 1971 ging es wieder hinab, und bis zur Ligareform 1978 in Baden-Württemberg spielte die Olympianer erfolgreich in der Staffel 5 der 2. Amateurliga, ohne jedoch noch einmal im Oberhaus anklopfen zu können.


1978 wurde Laupheim Gründungsmitglied der Landesliga Staffel 4, aus der sie 1985 als 17. absteigen mußten. Nach dem sofortigen Wiederaufstieg erinnerten sich die Oberschwaben an ihre alten Stärken, wurden auf Anhieb Vierter. Auch in der Folge spielte man sehr oft oben mit, 1992 jedoch folgte der erneute Sturz in die Bezirksliga Riß. aus der man erst 1994 wieder nach oben gelangte.

Ein großer Erfolg in der jüngeren Vergangenheit war 2003 der Aufstieg in die Verbandsliga Württemberg, in die Normannia im Jahr zuvor ebenfalls aufgestiegen war. Damals war man sehr ambitioniert in Laupheim, versuchte man gar einen Durchmarsch in die Oberliga. Der Aufstieg war allerdings den Normannen unter Trainer Alexander Zorniger sowie dem Heidenheimer Sportbund vorbehalten. Laupheim schloß mit einem hervorragenden vierten Platz ab, Saisonhöhepunkt war das Freundschaftsspiel gegen den FC Bayern München zur Hunderjahrfeier, das die Laupheimer gegen die in Bestbesetzung antretenden Bayern mit 2:0 gewannen - ein Ergebnis, das in der gesamten Republik für Schlagzeilen sorgte und von 11.000 Zuschauern vor Ort live erlebt wurde.

Alte Damen am Herzen.
In der Folgesaison klopften die Laupheimer nochmals am Oberligator, mußten aber als Dritter dem TSG Balingen den Vortritt in die Relegation lassen. Auch 2006 - in jenem Jahr war die Nationalmannschaft von Togo Gast im Olympiastadion - hatte man die Chance, aber in den Folgejahren reichte es nur noch für Mittelfeldplätze, und 2012 stieg Laupheim ab. Zwar hätte der prompte Wiederaufstieg folgen können, doch bereits das erste Relegationsspiel ging gegen den VfL Nagold verloren.

Eindruck vom Hinspiel.
2014 war es endlich wieder soweit: Laupheim kehrte als Meister der Landesliga zurück ins württembergische Oberhaus. Allerdings steht man hier schon wieder mit dem Rücken zur Wand. Das Aufeinandertreffen im Schwerzer blieb uns Fans in angenehmer Erinnerung, nicht nur wegen dem Sieg sondern auch wegen den Laupheimer Zuschauern, mit denen man sich glänzend unterhalten und voller Spaß an der Freude ein Bier trinken konnte. Bei dieser Gelegenheit kassierte Mario einen Laupheim-Schal, allerdings mit dem Versprechen, ihn im Rückspiel wieder mitzubringen.



Gesagt, getan. Dankenswerterweise durften wir beide sogar im Mannschaftsbus mitfahren, was die Reise nach Oberschwaben zu einem ganz neuen Erlebnis machte. Das Olympiastadion atmet dann auch regelrecht Geschichte und ist Zeitzeuge glorreicher vergangener Tage, andererseits hat der Zahn der Zeit kräftig an der Anlage genagt.

"Im Namen der Normannia nehme ich Besitz vom Stadion"

Nico Schoch, der als einziger der Fangruppe "12. Mann" die Reise nach Laupheim mitmachte, nutzte derweil die Gunst der Stunde und okkupierte 6 Fahnenmasten. Analog historischer Entdeckungsreisen wandelte er das altehrwürdige Olympia-Stadion für 90 Minuten in ein Normannia-Stadion. Das brachte im zwar kurz vor Anpfiff einen Anpfiff ein, aber die Gemüter beruhigten sich auch wieder schnell.

Einer von 80 Zuschauern. Leider kein Fanandrang in Laupheim
Der Zuschauerzuspruch in Laupheim war leider sehr gering. 80 Gäste, die sich für den Verbandsligafußball interessierten, passierten das Kassenhaus. Das ist sehr schade in dieser Stadt, und gerade im Abstiegskampf braucht der Verein jedwede Unterstützung. So aber haben es selbst Minimalstansammlungen, wie sie nun mal Nico, Mario und ich darstellten, die Option aus einem Laupheimspiel ein Heimspiel zu machen.

Mal schrecklich laut....
....mal seriös: Nico Schoch










Ein älterer Laupheimer Fußballgetreuen, der zunächst ebenso wie wir bei den Fahnenmasten stand, vergraulten wir durch unser "Schrägtongejaule". "Oh, seids mir net bös, aber i woll in Ruhe a Fußballschpiel gucken und ned euren Lärm ahöra" und machte sich von dannen. Er tat mir Leid. Das war bestimmt seit Jahren sein Stammplatz, und dann kommen so Fußballkasper aus dem Remstal und machen Krach für Zwölf....

Munteres Fußballspiel vor trauriger Kulisse.

Die Vorbedingungen des Spiels waren recht klar und eindeutig. Laupheim mußte möglichst alle drei Punkte einsammeln, um im Kampf gegen den Abstieg noch bestehen zu können. Die Normannen kämpften um einen Kasten Goldochsen-Bier, den wir "Alde Seggl" den Schwerzer-Jungs im Falle eines Sieges versprochen haben.

Die Olympianer legten auch dem Ernst der Stunde angemessen zwei oder drei Gänge ein und bedrängten das Tor von Magnus Burkhardt, der sich über mangelnde Beschäftigung nicht beschweren konnte.

"Gib mich die Kirsche!" - Laufduell zwischen Guiseppe Catizone
und Laupheims Simon Hammerschmied.

Schiedsrichter Marc List und seine Assistenten Tim Weber
und Darwin Veser hatten alle Hände voll zu tun.
Kurz vor Halbzeit, in der 41. Minute, hätte Michael Wiest den FV Olympia in Führung schießen müssen, jedoch zeigte der Linienrichter Abseits an. Zur Pause stand somit ein torloses Unentschieden zu buche. Für Laupheim eindeutig zu wenig.

Während ich den Kiosk aufsuchte, wurde ich dann auch herzlich von unseren Hinspielgästen erwartet. Das ist halt das schöne am Amateurfußball: man bewegt sich frei im Stadion, unterhält sich und feiert mit Fans des anderen Vereins, findet neue Freunde. Denn auch wenn Oberschwaben einen anderen schwäbischen Dialekt als wir Remstäler haben, so spricht man im Amateurfußball doch die gleiche Sprache.

Kopfballduell in Halbzeit Zwo.

"Werft den Purschen zu Poden" - Marius Nuding

FCN-Präsident Dieter Weil hat nur Augen für die Bundesliga

Auch die zweite Halbzeit war von gegenseitigem Anrennen aufs Tor geprägt, langweilig wurde es den wenigen Zuschauern nicht. Als Manuel Seitz im Laupheimer Strafraum zu Boden geht, fordern wir alle einen Elfmeter, doch der Pfiff ist aus. Jenseits der rot-weißen Brille muß ich allerdings gestehen, das ich wie schon beim Abseitstor der Laupheimer auch hier die Situation nicht richtig gesehen habe. Im Endeffekt muß man es wie Laupheims Co-Trainer Lemke sehen: "Wenn der SChiedsrichter nicht pfeift, ist es kein Elfer".

Elfmeter oder nicht?

Aber dann kam für Laupheim die verhängnisvolle 83. Minute. Zunächst wechselt Beniamino Molinari Mihael Jakovljevic für Marius Nuding ein, dieser bekommt von Felix Bauer den Ball zugespielt und schon hat er das Leder im Tor von Manuel Fetzer versenkt. Das ging quasi im Sekundenschritt und brach den Laupheimern, die zu diesem Zeitpunkt durch eine Gelb-Rote Karte in Unterzahl spielten, das Genick.

Das goldene Tor durch Jakovljevic.
Normannia schaukelte den Punktgewinn über die Zeit. Durch diesen Sieg ist sogar noch Tuchfühlung auf den vierten Platz hergestellt, während mir die Laupheimer Leid taten. Die Abstiegskonkurrenz war überall erfolgreich, und so bestehen jetzt nur noch minimale rechnerische Chancen, den Relegationsplatz verlassen zu dürfen. Die historische Bilanz in Liga- und Relegationsspielen hat sich mit 7 zu 1 Siegen weiter zugunsten der Normannen verschoben, wichtiger war den Jungs aber die von den "Alden Seggl" ausgelobte Siegprämie in Form des Kasten Goldochsen-Biers.

Auswärtssieg!
Anerkennung fanden wir - und das ist bemerkenswert - durch die Laupheimer Spieler, denen es auch mal gefallen würde, lautstark unterstützt zu werden, was sie in meinen Augen auch verdient hätten.

Der verletzte Stammtorwart Julius Lense mit geztreuen Fans.
Wir mischten uns noch ins Vereinsheim und tranken mit unseren Laupheimer Freunden gemütlich ein Bierchen. Ein "Alder-Seggl-Schal" wechselte zuvor noch den Besitzer, und eine Laupheimer Chronik legte ich mir auch noch zu. Alles in allem ein schöner Tagesabschluß. Wir versprachen unseren herzlichen Gastgebern, Olympia die Daumen zu drücken, wenn es durch die Tretmühlen der Relegation geht: denn das wir nächste Saison wieder nach Laupheim wollen, steht ja mal sowas von fest. Fans von Traditionsvereinen müssen einfach zusammenhalten.



Spielberichte:
Schwäbische Zeitung: Bittere Niederlage für Olympia
Olympia Laupheim: Die Leistung stimmt, das Ergebnis nicht




Sonntag, 10. Mai 2015

Hier heute nicht - 1. FC Normannia Gmünd gegen TSG Backnang



So ein richtiger Derbyklassiker war die Begegnung der heimischen Normannia mit den Kickern aus der Gerberstadt ja eigentlich nie, was vielleicht zum einen daran liegt, das man im Ligaverkehr erst die 11. gemeinsame Saison verbingt. Ein anderer Grund mag sein, das man in Gmünd, historisch betrachtet, ein Derby nur mit Ostalbvereinen (VfR Aalen oder Heidenheim) und Teams aus dem Landkreis Göppingen (SV Göppingen, 1. FC Eislingen oder SC Geislingen) ansieht. Der Rems-Murr-Kreis liegt da ebenso wie die Vereine aus dem Landkreis Schwäbisch Hall ein wenig außerhalb des Wahrnehmungshorizonts.

Dennoch bot die Partie zwischen dem 1. FC Normannia Gmünd und den Gästen des Aufsteigers TSG Backnang Fußball eigentlich immer Grund für Spannung und Dramatik. Die Historie des Vereins hatte ich in meinem Bericht zum Hinspiel, das die TSG im Helene-Fischer-verseuchten Etzwiesenstadion völlig verdient mit 2:0 gewann, bereits dargestellt. Ein kleiner Ausflug in die Geschichte sei mir aber dennoch vergönnt - wie sollte sich ein selbsternannter Fußballhistoriker sonst seine Existenzberechtigung verdingen?



Im Spielverkehr einer Liga trafen nach meinen Unterlagen Normannia Gmünd und der TSG-Vorgänger FV 1919 Backnang zum ersten Mal am 31. August 1930 aufeinander. Damals war das sogar die zweite Liga, wobei das nicht viel heißen soll. Die Kreisliga Cannstatt war nur eine von vier Staffeln unterhalb der Bezirksliga Württemberg und innerhalb des Deutschen Reiches eine von unzähligen zweithöchsten Spielklassen. Die räumliche Gliederung war ungefähr vergleichbar mit den heutigen württembergischen Landesligen, und neben Backnang traf die Normannia auf Urbach, Aalen, Eßlingen, Obereßlingen und drei Stuttgarter Vereinen.

Dieser letzte Augusttag im Jahr 1930 war das erste Saisonheimspiel der Normannen. Eine Woche vorher räumten sie mal den Ostalbhinterhof gründlich auf und fegten den VfR Aalen in dessen Stadion mit 6:1 vom Spielfeld, während Aufsteiger Backnang in den Etzwiesen mit 2:7 gegen den Stuttgarter SC unterging. Somit sprach die Ausgangslage wohl eindeutig zugunsten der Schwerzerelf. Aber Fußball wäre nicht Fußball, wenn es erstens nicht anders käme und zweitens als man denkt. Denn Backnang blieb mit 2:0 Sieger im Schwerzer. Nach Abschluß der Saison wechselte Normannia in die neugegründete Kreisliga Hohenstaufen, wo sie auf Anhieb Meister und Aufsteiger in die 1. Liga wurde. Nur noch einmal gewann Backnang im Schwerzer, und zwar am 13. Oktober 1968 mit 1:2, nachdem Backnang noch im Vorjahr in der zweitklassigen Regionalliga Süd spielte.
Normannia hatte zu diesem Zeitpunkt nur einen Heimsieg zu verzeichnen gehabt, und zwar in der Vorwoche ein kanppes 1:0 gegen den Tabellenführer VfB Stuttgart Amateure.

Gegenspieler und Normannia-Fans machen sich warm.
In der aktuellen Saison spielte Backnang lange Zeit um den Aufstieg mit, zeigte aber vor allem gegen die direkte Konkurrenz nerven, ließ nochmals mit einem 6:0 in Schwäbisch Hall kräftig aufhorchen, um eine Woche später Zuhause gegen Neckarsulm mit 0:3 zu verlieren.

Trotz der historischen Bilanz gab es von Gmünder Seite natürlich keinen Grund, sich auf die hervorragende Heimbilanz auszuruhen. Das historische Bilanzen nicht festgemauert sind, weiß man neuerdings auch in Schwäbisch Hall. Und Backnang ist bislang auch die einzige Mannschaft, die dem FSV Bissingen eine Saisonniederlage beibrachte. Auch wenn sich die TSG stellenweise als "launische Diva" der Saison 2014/15 präsentiert, darf sie niemals, nie nie niemals unterschätzt werden.

Beschwörungen vor dem Spiel

Die Normannia hatte aus dem Hinspiel gelernt, das war vom Anpfiff weg deutlich zu sehen. Normannia ging flugs dazu über, Carl-Anders Zimmermann im Backnanger Tor zu bedrängen, und auch wenn die ersten Torschüsse eher was für die Galerie waren, so zeichnete sich schon in der ersten Hälfte der Wille zum Sieg ab.


Fotografierendes Trio.
Frühe Chance, aber kein Problem für den Keeper


Wo man Normannia gerne sieht:
im Strafraum der Gäste
Hoch hinaus - wenigstens der Ball...


Wir sahen Normannia ziemlich häufig bei uns vorbeischauen, und das freute uns sehr. Denn wie gewohnt standen wir am oberen Tor Richtung Hallenbad, und diesmal stand in der ersten Hälfte der Gästehüter Zimmermann vor uns, der zwar lächelnd unseren Schrägtongesang ertrug, aber auch gleichmütig bekannte, schon schlimmeres erlebt zu haben.

Auf der Gegenseite war Konstantin Kühnle nicht unfleißig, allerdings kann man auch ohne Vereinsbrille eingestehen, das die erste Halbzeit eindeutig den unsrigen gehörte. Dennoch benötigte es einen Elfmeter in der 39. Minute, um die verdiente 1:0-Führung für den Schwerzer-Club zu bringen. Ich würde das mal als ein Kompliment für den Gästetorwart auffassen.

Adam Adamos gegen Manuel Seitz...

....und Seitz ist definitiv nicht der Ball.
Was war passiert? Ein erneuter Angriff brandete gegen das Backnanger Tor, und Manuel Seitz wird im Strafraum von Backnangs Adam Adamos mit dem Ball verwechselt, obwohl sich beide gar nicht ähnlich sehen. Die konsequente Reaktion von Schiedsrichter Stefan Fimpel waren der Pfiff, den Hinweis auf den Punkt und der Gelbe Karton gegen Adamos.

Nun ist ein Elfmeterpfiff gegen Zimmermann nicht unbedingt eine Torgarantie, aber Patrick Krätschmer sucht sich die richtige Ecke aus und bringt die Normannia verdient in Führung.

Da zappelt der Ball endlich im Netz - 1:0 durch Krätschmer.
Direkt danach wäre es an Felix Bauer gewesen, sich in die Torschützenliste einzutragen, doch das Schicksal meinte es anders, und statt den Kasten traf er Teamkollege Marvin Gnaase, der danach erstmal die Torlinie des Gästetors liegend bewachte.

"Friendly fire" - Marvin Gnaase als unbeabsichtigte TSG-Abwehr

Kurz vor Pause: hoch, höher, Kühnle. Alles gut.

Es blieb zur Pause beim verdienten 1:0, und auch wenn das 2:0 ausblieb, waren Mario und ich zufrieden und konnten ohne Übertreibung dem pünktlich zur Pause hinzugekommenen Michael von dieser rot-weißen "Wunderelf" berichten. Da müßte es ja in der zweiten Halbzeit zu Massen an Toren kommen.

So funktioniert doch Fußball, oder?



Ja, wenn das so einfach wäre, wäre Fußball auch ziemlich langweilig (oder noch langweiliger, wie einige Fußballverweigerer einwenden mögen). Hier wird doch nicht in den Irrglauben verfallen, das die TSG Backnang sich in ihr Schicksal fügen und einfach so als Punktelieferant dienen würde? Tat sie nämlich nicht, die TSG, und begann mit einer Gegenoffensive.

Gefahr im Normannia-Strafraum

Wachsamkeit ist die ständige Pflicht des Torhüters
Tja, und dann kam die verfluchte 71. Minute, als Stephan Fichter seine TSG Backnang mit dem Ausgleich erlöste. Die Situation war ziemlich verworren: die Normannia-Abwehr war überrascht, Kiki Kühnle war überrascht und ich war sowieso überrascht. Nur Fichter eben nicht, der aus kurzer Distanz den Ball ins Netzt versenkte. Der vom zahlreichen Backnanger Publikum frenetisch gefeierte Ausgleichstreffer war bis in die Gerberstadt zu hören .... oh halt, nein. Lediglich die Spieler feierten lautstark (und natürlich zurecht) ihren Treffer, von Backnanger Fans war nichts zu sehen oder zu hören. Aber wer im eigenen Stadion vor 100 bis 150 Zuschauern spielt, generiert auch auswärts normalerweise keine Massen...

Ex-Normanne Marius Jurczyk scheint sich
auf die Stirn zu schlagen und zu denken:
"Warum bin ich hier nur weg?"
Schockstarre Allerorten. Ausgleich durch Fichter






















Mario und ich reagierten auf die einzige vernünftige Art, nämlich mit "Scheißegal, Scheißegal, Scheißegaaaaal"-Gesängen, und wir lagen damit vollkommen in der Linie der Mannschaft. Denn es war bis zur Eckfahne zu spüren: Normannia will einen Dreier, kein Unentschieden. Dieser Eindruck wurde verstärkt, nachdem in der 79. Minute mit Serkan Özgür und Timo Zimmer zwei frische und hungrige Offensivkräfte ins Spiel kamen. Doch eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und es folgte eine Periode echter Torsch(l)ußpanik.

Torsch(l)ußpanik, Teil 1

Torsch(l)ußpanik, Teil 2
Natürlich schwebte auch ein wenig der Ungeist des Neckarsulmspiel herum, aber der Sieg lag diesmal förmlich in der Luft, und wozu hat man schließlich einen Felix Bauer? Denn der machte die Sache amtlich, erlöste in der 90. Minute alle Normannen, die sich nach einem sehr putzmunteren Spiel den verdienten Sieg ans Panier heftete. Man, tat das 2:1 gut!

Da steht der ganze Schwerzer Kopf! Felix Bauer hat das 2:1 erzielt!
Drei Minuten legte der Schiri drauf, und dann war das Ergebnis hochoffiziell und amtlich. Backnang mag am 31. August 1930 im Schwerzer gewonnen haben und meinethalben auch am 13. Oktober 1968, aber hier heute nicht! Der 9. Mai 2015 gehörte ganz alleine der Normannia. Was für ein herrliches Spiel. Enttäuschend war lediglich der Zuschauerzuspruch: 205 Gäste bedeutet nur 4 mehr als beim Minusrekord gegen Weiler. Ach, die Gmünder sind doch selber Schuld, wenn sie sich so ein Team entgehen lassen...



Sonntag, 3. Mai 2015

Fanfreundschaften - SV Böblingen gegen FC 07 Albstadt

Gemeinsam für den Amateurfußball

Der Internationale Tag der Arbeit hatte eine gute und ein paar schlechte Seiten. Gut war das lange Wochenende von Freitag bis Sonntag, schlecht war, daß diese Tage in eine Schlechtwetterphase fielen und das der FC Normannia auswärts beim VfL Nagold antreten mußte. Generell spricht natürlich nichts gegen Nagold und dem heimischen VfL, allerdings waren Mario und ich auf den Bahnverkehr angewiesen, was Nagold schon wieder zu einem kleinen Abenteuer macht. Andererseits war der Anpfiff erst auf 17 Uhr angesetzt. Nein, im Sinne des Amateurfußballs war das nicht. Aber es ergab sich dadurch für uns die Gelegenheit, ein schon lange gegebenes Versprechen zu erfüllen. Denn um 15 Uhr begann im Böblinger Silberweg bereits die Partie der SV Böblingen gegen den FC 07 Albstadt. Seit der "Tassengeschichte" für Hardy Grüne hat sich eine gewisse Sympathie zu diesem Verein und seinen Menschen entwickelt, und Albstadtfahrten im Zug haben sich mittlerweile bei uns etabliert. In alter Zeit war es gar üblich bei Normannia, besondere Freundschaften zu anderen Vereinen zu pflegen. In den 20er und frühen 30er Jahren war das z. B. die SpVgg Cannstatt. Warum also nicht auch heute mal den 1. FC Normannia quasi als Botschafter würdig vertreten und an alte Traditionen anknüpfen? Schließlich war 1. Mai, ein Tag der internationalen Solidarität.

Eigens zu diesem Anlaß ließ ich ein Transparent drucken, um die Verbundenheit zwischen den beiden Teams und deren Fans zu symbolisieren. "Gemeinsam für den Amateurfußball", so das Credo, was auch durchaus den Tatsachen entspricht und simultan zu "Glotze aus, Stadion an!" läuft. Denn der FC 07 hat genauso viel Zuspruch und Aufmerksamkeit verdient, wie jeder andere Verein im Fußballgeschäft.

Selbstverständlich, und das muß man stets betonen, fuhren wir bereits ab Gmünd mit unserem Normannia-Schal um den Hals, was am Gmünder Hauptbahnhof auch zu ersten Reaktionen führte: ein Groundhopper auf dem Weg nach Liverpool fand unsere Aktion ebenbürtig mit einem Besuch in der altehrwürdigen Anfield Road.



Was das Böblinger Stadion am Silberweg sympathisch macht ist die Tatsache, das die Arena von der S-Bahn-Station Goldberg innerhalb weniger Minuten zu Fuß erreichbar ist, so daß dem Besuch praktisch keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt sind.

Normalerweise, wenn ich weder ein Spiel meiner Normannia oder des TV Derendingen besuche, halte ich es eigentlich mit der Heimmannschaft. Aus oben erwähnten Gründen war ich ausnahmsweise völlig auf den FC Albstadt eingestellt, der möglichst drei Punkte holen sollte. Aber wie es sich für einen "Spätzleskick" gehört, möchte ich zunächst mit einem historischen Abschnitt den Gastgeber vorstellen.

Die SV Böblingen - aber halt! Warum eigentlich "die SV"? Ganz einfach: SV steht als Abkürzung nicht wie man annehmen könnte für "Sportverein", sondern für "Sportvereingung", und früher wurde der Verein in den Tabellen und Spielergebnissen auch stets mit SpVgg Böblingen abgekürzt. Irgendwann einmal, ich schätze so in den 70er Jahren, wandelte sich die Abkürzung von SpVgg zu SV.

In Böblingen, so scheint es zumindest, hat man mit der Vereinsgeschichte einen "sauberen Schnitt" gemacht. Zumindest beginnt man dort mit der Historie am 20. Oktober 1945, als im altehrwürdigem Gasthof zum Bären (dessen Baugeschichte bis ins 11. Jahrhundert zurückreicht) die Sportvereinigung aus den Trümmern des Böblinger Sports ins Leben gerufen wurde. Dabei reicht die Geschichte des Fußballs in Böblingen wesentlich weiter zurück, als es zunächst der Anschein hat, ja, Böblingen spielte gar mehrere Jahre in der zweithöchsten Spielklasse und spielte einmal im Deutschen Pokal.

Aber der Reihe nach. Wie in vielen anderen Vereinen im Land, so hängt auch hier die Geschichte der Fußballer mit dem Turnen zusammen. in diesem Falle mit dem 1845 gegründeten Turnverein Böblingen. Turner und Fußballer waren sich ja eigentlich spinnefeind, und die klassische Ballsportart der Körperertüchtigungsfanatiker war seit alter Zeit Faustball, mitunter noch Handball.

Wie der Fußball in Böblingen zum Turnen kam, war für mich nicht feststellbar, jedoch scharrte 1905 der Sohn des Kronenwirts Burkhardt im Nebenzimmer seiner väterlichen Wirtschaft Mitstreiter um sich, um einen Lederball mit Füßen zu treten. Einerlei, ob die Kicker zunächst versuchten als eigenständiger Fußballclub anzutreten, oder ob sie von vornherein eine Abteilung des Turnvereins waren: 1924 kam es zur sogenannten "reinlichen Scheidung", und der FV Fortuna Böblingen trat ans Licht der Öffentlichkeit. Sportliche Höhenflüge blieben zunächst aus, Böblingen war das klassische Team der A- und B-Klasse. 1932 gelang der Aufstieg in die damals zweithöchste Spielklasse, der Kreisliga Alt-Württemberg - es war übrigens das Jahr, als Normannia in die erste Liga aufstieg. Dort kam es zu Duellen mit illustren Namen wie den Sportfreunden Stuttgart (2:4, 1:5) oder dem FV 98 Zuffenhausen (1:3, 0:8). Trotz dieser hohen Niederlagen gegen die Topteams der Zeit kam am Ende unter 13 Mannschaften ein beachtlicher 9. Platz heraus (37:59 Tore, 18:30 Punkte), kein schlechtes Ergebnis für den Neuling.

Alles hätte eigentlich für den Klassenerhalt gesprochen, wäre es nicht mit den Nazis zu einer sogenannten "Neuordnung im württembergischen Fußball" gekommen. Als am 21. August 1933 die neuen Spielklassen der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden, da fehlten die Böblinger unter den 36 Mannschaften der zweitklassigen Bezirksklasse, und die Kreisklasse Alt-Württemberg (West) wurde die neue Heimat des FV Böblingen. Erst zum Schluß der Saison 1936/37 gelang eine Rückkehr in die "2. Liga", und in der Abteilung Stuttgart der Bezirksklasse Württemberg traf man auf Teams wie den Lokalrivalen VfL Sindelfingen, Stuttgart-Münster oder dem FC Wangen. Letzteres Team ist übrigens nicht mit dem Team aus dem Allgäu identisch, sondern ein Vorläufer des späteren VfL Wangen aus Stuttgart. 1938/39, genauer gesagt am 15. Januar 1939, kam es in der Liga sogar zum ersten Duell der Normannia in Böblingen, das die Böblinger mit 2:1 für sich entschieden. Mittlerweile "firmierte" der Verein seit dem 1. Oktober 1937 unter dem Namen VfL Böblingen (beim "VfB" im abgebildeten Zeitungsartikel handelt es sich wohl um einen Druckfehler). Hintergrund war die "ein Ort - ein Verein"-Politik der Nazis, die zu einer Vereinszusammenführung auch in Böblingen führte.

Die restliche Vereinsgeschichte bis Kriegsende ist für einen Außenstehenden wir mir etwas verwirrdend. Aus dem VfL wurde ca. ab 1940 die SG Böblingen, die sich 1942 nach einem 5:1-Sieg gegen den FC 08 Villingen erstmals für den Deutschen Vereinspokal qualifizieren konnte und Zuhause vor 4.000 Zuschauern gegen die Stuttgarter Kickers in der ersten Runde mit 2:3 geschlagen wurde. Kirchmeyer und Heinzelmann heißen die Böblinger, die sich als Torschützen in die Geschichte DFB-Pokals eintrugen. Böblingen war im Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Standort der Luftwaffe, und es erwuchs im Fußball mit der SG Luftwaffe Böblingen gar ungeliebte weil staatlich bevorzugte innerörtliche Konkurrenz.

1945, nachdem sämtliche Vereine durch die Alliierten aufgelöst bzw. eine Neugenehmigung bedurften, gründete sich der oben erwähnte Großsportverein SV Böblingen, der zunächst auch wieder die Turner in seinen Reihen hatte. 1954 kehrten die Turner dem Verein wieder den Rücken und treten seitdem wieder unter ihrem eigenen Namen an. Für die Fußballer begann bald darauf ein Höhenflug. Trat man zunächst in der Stuttgarter Bezirks- bzw. A-Klasse gegen das Leder, so gelang 1955 nach einer wahren Aufstiegsrunden-Odyssee - es mußten insgesamt 9 Spiele bestritten werden - der Aufstieg in die 2. Amateurliga Württemberg, damals in der Ligapyramide auf der vierten Ebene.

Aus meiner Nadelsammlung: natürlich fehlt auch nicht die SVB
Illustre Gegner wurden damals bezwungen, wie die Amateure des VfB Stuttgart oder der FSV 08 Bissingen. Neun Jahre spielten die Böblinger recht erfolgreich um Punkte, lediglich 1960/61 befanden sie sich mal in Abstiegsgefahr. Ein großer Erfolg in der Vereinsgeschichte war die Meisterschaft in der Gründungssaison der Bundesliga 1963/64, und der damit verbundene Aufstieg in die 1. Amateurliga Nordwürttemberg. Dort hielt man sich mehr durchwachsen 5 Jahre lang, und stieg 1969 zusammen mit Normannia wieder ab. Die Böblinger mußten dabei eine Abstiegsrelegation über sich ergehen lassen, da sie mit dem VfL Sindelfingen und der TG Heilbronn punktgleich waren.

Eine Rückkehr ins württembergische Oberhaus gelang indes nicht. 1972/73 war man knapp dran, lag aber am Ende nur einen Punkt hinter Meister VfL Schorndorf, gegen den man wie gegen die anderen Favoriten ordentlich punktete. Man verschenkte jedoch gegen spätere Absteiger wie die Sportfreunde Stuttgart oder dem TSV Zuffenhausen wichtige Punkte.

Besonders bitter wurde die Saison 1976/77. Ein Jahr vor Einführung der Amateur-Oberliga verschwand Böblingen aus den überbezirklichen Ligen und stieg als 15. aus der 2. Amateurliga ab. Durch den souveränen Erfolg in der A-Klasse Böblingen/Calw, der man auch 1974/75 angehörte, sicherte sich Böblingen die Qualifikation für die neugeschaffene Landesliga Staffel 3

Die Anfangsjahre waren recht erfolgreich und der SVB belegte durchweg einstellige Tabellenplätze, klopfte 1981/82 sogar zaghaft ans Verbandsligatürchen. was am 6. Mai 1984 mit einem 3:0-Heimsieg gegen den VfL Nagold vorzeitig erreicht wurde.

In der Verbandsligapremiere kam Böblingen auf Anhieb auf Platz 5, wurschtelte sich in den Folgejahren aber erst mal so über die Runden, stieg aber 1989 wieder in die Landesliga ab. Trotz solcher Torjäger wie Carsten Hildebrandt (21 Treffer) oder Matthias Kuhn (17 Treffer) gelang der Wiederaufstieg nicht auf Anhieb, sondern wurde auf 1991 verschoben. Beim WFV-Pokalfinale in Ditzingen am 2. Juni 1993 unterlag man zwar dem heimischen TSF Ditzingen vor 1.200 Zuschauern mit 2:3, qualifizierte sich aber dennoch für den DFB-Pokal. Der zugeloste Gegner MSV Duisburg verteilte jedoch am 4. August 1993 keine Gastgeschenke, und die 4.000 Zuschauer sahen einen souveränen 5:0-Erfolg der Profis, die bereits in der 2. Minute mit dem Torreigen begannen.
SVB-Stadion am Silberweg

Es folgte ein echter Höhenflug der Böblinger. 1996 kam erstmals die Verbandsligameisterschaft an den Silberweg, und für ganze drei Jahre gehörte der SVB der Oberliga Baden-Württemberg an. Nach dem Abstieg 1999 scheiterte die Rückkehr ins Oberhaus an den Amateuren des SV Waldhof Mannheim, die in der Relegation der Verbandsligazweiten den Böblingern mit 0:2 und 1:4 keine Chance ließen. Im Normannia-Meisterjahr 2004 stand man kurz vor der erneuten Relegation, vermasselte aber am letzten Spieltag das Heimspiel gegen den TSF Ditzingen mit 0:1, derweil der Heidenheimer SB beim TSV Ofterdingen mit 5:0 siegreich blieb und meinem FCN in die Oberliga nachfolgte. 2006 stieg Böblingen in die Landesliga ab und gehört erst wieder seit 2011 der Verbandsliga an. 2015 befinden sich die blau-weißen Kicker aus der Metropolregion Stuttgart wieder mittendrin im Abstiegskampf.

Beni studiert das Stadionheft.
Metropolregion ist dann auch das Stichwort, denn mit besagtem Zugticket fuhren Mario und ich recht günstig nach Böblingen zum FC Albstadt. Wie es sich gehört, hatte ich uns beim Teammanager Heiko Jakob vorher angekündigt. Aus der Schweiz freute ich mich auf den Besuch des Amateurfußball-Weltenbummlers Benjamin Netz, der auch als Regionalkontakter Schweiz Ansprechpartner von LOKALRUNDE 2015 - Der Tag des Amateurfußballs ist.



Bei unserer Ankunft fand gerade auf dem Nebenplatz das WFV-Pokalhalbfinale zwischen der A-Jugend der SV Böblingen und den Stuttgarter Kickers statt. Der große Pokaltraum für die Heimmannschaft blieb ihr allerdings verzagt, denn die Kickers feierten mit 2:0 den Einzug ins Endspiel. Nichtsdestotrotz ist die Jugendarbeit in Böblingen vorbildlich und erfolgreich, die A-Junioren kämpfen in der Verbandsstaffel noch um Platz 2. Und während aus höheren Spielklassen Vereine ihre U23 aus dem Spielbetrieb zurückziehen, steigen in Böblingen die Planungen, ab 2015/16 die zweite Mannschaft wiederzubeleben, nachdem diese 2013 zurückgezogen werden mußte. Damals standen nur noch 5 Spieler zur Verfügung - ein Armutszeugnis für Verein und Stadt, wie die Verantwortlichen selber zugaben. Die neue U23 soll die Talente der eigenen Jugend an den Verein binden und sie im Zwischenschritt an die Verbandsligaelf heranzuführen.

Böblinger Akklimatisierungsrunde bei Kälte und Regen.
"Was wället denn die Gmender hier? Wega Albstadt? Fanfreundschafta gibts doch sonscht nur in der Bundesliga, ja, aber doch net in der Verbandsliga!" Anstatt sich über Besucher zu freuen, müssen wir uns fast noch rechtfertigen, gekommen zu sein. Nun gut, der Böblinger Einwand war natürlich nicht böse gemeint, und man ließ uns jede Gastfreundschaft zukommen, die man seinen Gästen gerne gewährt. Noch herzlicher jedoch wurden wir vom FC Albstadt und da natürlich von Heiko Jakob empfangen, und die legendäre Albstädter Gastfreundschaft, die ich im Albstadion genießen darf, wurde mir auch hier in der Fremde zuteil. Ebenfalls zugegen war Albstadts Edelfan Klaus, und der kleine Anhang aus der Zollernalb machte es sich unter der Sprecherkabine gemütlich.

Macht mal Stimmung, Jungs!
"Glotze aus, Stadion an!" - Amateurfußball braucht Fans. Selten wird der Spruch so deutlich wie in Böblingen. Denn die SVB hat nach Schwäbisch Hall und Gärtringen den schlechtesten Zuschauerschnitt der Liga. Natürlich ist es auch hier wie Andernorts in Zeiten des Turbokapitalismus, wo sich alles nur um die Bundesliga dreht, schwierig zu bestehen. Böblingen steht zudem durch seine Nähe zu Stuttgart im Schatten des alles verschlingenden VfB. Dabei hätte der Verein durchaus Potential, nutzt sie nur nicht. Besuchten den Club um 1972 noch ca. 600 Zuschauer pro Spiel, so kam die SVB selbst zu Oberligazeiten nur noch knapp über 400, und erfreut aktuell 183 Fußballfreunde pro Heimspiel. Dabei hätte die Mannschaft, die wesentlich besser spielt als ihr Tabellenstand es ausdrückt, mehr Zuschauerzuspruch verdient. Die offizielle Zuschauerzahl beim Albstadtspiel wurde mit 150 angegeben, aber ich habe da nicht das unbestechliche Auge unseres Claus-Jörg Krischkes.

"Alde Seggl" beim Albstadtsupport
Ein Wort zur Infrastruktur. Böblingen besitzt eine herrliche Tribüne, von der eine sehr gute Sicht auf das Spielfeld herrscht. Von den Stehplätzen aus ist durch die Tartanbahn die Sicht etwas eingeschränkt, was mir, der es gerne "englisch" und nahe am Spielfeldrand mag, natürlich nicht so gut gefällt. Ebenso befinden sich Kiosk und Toiletten hinter der Tribüne, was mit Treppensteigerei verbunden ist. Das Herren-WC glänzt dafür noch mit einer original - Verzeihung - Pissrinne im Boden, was ich gefühlt zuletzt 1982 gesehen habe. Die Musikanlage war nicht Weltklasse, aber dafür Helene-Fischer-Frei, daher ganz großes Dankeschön an die SV Böblingen. Kredenzt wurde Bier der Schönbuch-Brauerei, was für ein Stadionbier recht ordentlich ist, die Wurst liegt in der Verbandsliga auf den vorderen Tabellenplätzen. Auffällig ist die mangelnde Bandenwerbung.

Auszeichnungen guter Jugendarbeit.

Schiedsrichter Steffen Lochner aus Künzelsau kam mir doch gleich so bekannt vor, und ich hatte recht: er leitete das Spiel der Normannia in Backnang. Tja, und das Spiel selber? Oh je, oh je, oh je.... Von unserem Bredi ist ja der Böblingen-Fluch überliefert: reist er mit Normannia nach Böblingen, so bleiben stets die Böblinger siegreich. Fährt er nicht mit, gewinnt der FCN. Was soll ich sagen - wir scheinen den Fluch auf den FC Albstadt übetragen zu haben, denn - ich fange jetzt mal Rückwärts an - die SV Böblingen siegte völlig verdient mit 4:2 gegen einen FCA, der stellenweise in der Abwehr wie ein aufgescheuchter Hühnerstall wirkte, in den ein Scherzkeks "Fuchs!" hineingerufen hatte.



Unter lauten "FCA!"-Rufen begrüßten wir die Weißen aus Albstadt im Stadionrund, die Tore schossen aber andere. Nach Minuten konnte Albstadts Keeper Christopher Kleiner denn Ball nach einem Schuß von Vargas Müller nicht festhalten und Sascha Raich konnte fast unbedrängt zum 1:0 einschießen.

Hängende Köpfe bei Albstadt, Jubel bei Böblingen. 1:0.

Es folgte, was beide Trainer nach der Partie vollkommen richtig als ein schnelles Spiel bezeichneten. Lehrbuchmäßig schöne Spielzüge waren jedoch, bei den rutschigen Platzverhältnissen kein Wunder, eher selten.











Albstadt drängte nach Vorne, und in der 27. Minute konnte Sascha Wissenbach den verdienten Ausgleich erzielen, indem er den Ball unter die Beine von Keeper Florian Mack ins Tor schmuggelte. Für mich persönlich war er der beste Albstädter - rackerte unermüdlich, dachte mit und er hatte das Tor mehr als verdient.

Und das verdiente 1:1 durch Sascha Wissenbach.
Endlich hatten wir wieder Grund, lautstark für Albstadt zu rufen, denn davor verhielten wir uns doch recht bieder. Das lag aber zum Teil daran, das uns für Albstadt einfach kein genialer Schlachtruf einfiel. Einen positiven Nebeneffekt hatte unser Schrägtongesang wenigstens - die Jugend der SVB saß auf der Tribüne hinter uns und feuerte ihre Mannschaft an.



Zur Pause stand es 1:1, zwar kein berauschendes, aber auch kein schlechtes Spiel. Natürlich verbanden wir unseren Albstadt-Support auch mit etwas Eigennutz, denn ein Sieg des FCA hätte ja auch dem FCN etwas Luft verschafft. Ein Unentschieden wäre aber auch nicht schlecht gewesen. Nun, wie oben erwähnt, ging es ja leider anders aus.... nun gut.

"Du machst uns hier keine Probleme!"
Nein, sieht nur so aus. In Wahrheit ein nettes "Schwätzle"

Und dann war da noch das Gschichtle mit den Ordnern - keine Sorge, da kommt jetzt nichts schlimmes, denn erstens hatte ich beim lösen der Eintrittskarten darauf hingewiesen, das wir schrecklich laut und noch schrecklicher furchtbar singen, ansonsten aber handzahm sind. Und zweitens sind die Ordner in Böblingen wie ihre ehrenamtlichen Kollegen in Albstadt, Gmünd oder sonstwo Menschen wie du und ich. Nein, der Böblinger Ordner kam nur zum Schwätzle zu uns, wollte erfahren, warum wir das machen, weshalb ich fotografiere und was zum Geier eigentlich ein "Spätzleskick" ist. Aber dann mußte ich dieses Fotomotiv einfach dankbar annehmen: in Böblingen kommt auf jeden Gästefan ein persönlicher Ordner, der ihn genau unter Beobachtung nimmt. Herrlich.

Aber genug gescherzt. Halbzeit Zwo war noch nicht sehr alt, da schoß Sascha Raich die Böblinger erneut in Führung. Noch kämpfte Albstadt, aber irgendwie war dennoch der Wurm drin. Zum Haare raufen! Offenbar hatte der Kapitän auch die Schnauze voll, und erklärte das Tore schießen zur Chefsache. Dennoch mußten Albstadt und wir bis zur 69. Minute warten, dann trug sich der Chef Armin Hotz mit seinem lehrbuchmäßigem Ausgleichstor in die Torschützenliste ein!

Aus dem Hintergrund müßte Hotz schießen...

Tor! Tor! Tor für Albstadt! Da freut sich auch mal der Coach.

Jedoch... Unser aller Torjubel war noch gar icht richtig über den Schönbuch verhallt, da knallte im direkten Gegenzug zeigte Ivan Vargas Müller, was man in Böblingen von Gegentoren hält - nichts. Das 3:2 war die Krönung der Albstadt-Gegentore, denn alle drei waren - verzeiht mir liebe Böblinger - eigentlich völlig "saudackelhaft", wie man im Schwäbischen so schön sagt, und auch Coach Markus Pleuler, gerade noch beim jubeln, hätte seine Jungs wohl am liebsten gleich zur Strafrunde verdonnert. Saudackelhaft hin oder her, verdient war die Führung, und diesmal ließen sich die Gastgeber die Magarine nicht mehr von der Stulle herunterkratzen.

Und schon jubelt wieder Böblingen

Da steht der Regenschirm Kopf.

Ein Tor müssen wir noch ertragen.

Weitere acht Minuten später setzte Hakan Cakmak den Schlußpunkt unter das Albstädter Trauerspiel, denn obwohl Albstadt noch die Möglichkeit auf einen Anschlußtreffer hatte, so hätte auch Böblingen noch 2 Tore unterbringen können. Die waren am Ende einfach besser, oder wie Mario treffend analysierte: "Böblingen hat den Abstiegskampf angenommen und entsprechend reagiert".

Heiko Jakob und Mario Gold are not amused











In der Nachspielzeit gab es noch einen Böblinger Platzverweis, dies blieb für das Spielgeschehen allerdings bedeutungslos. Mit dem Schlußpfiff war es an den Böblinger Zuschauern, zu jubeln, denn durch dieses 4:2 holte sich die Schönbuch-Elf drei verdammt wichtige Zähler im Abstiegskampf, während man beim FC 07 Albstadt das Abstiegsgespenst in den Büschen hat herumlungern sehen.

Jubel bei den Böblingern.
Schade für Albstadt. Normannia spielte am gleichen Tag in Nagold 1:1, was zwar auch nicht gerade überragend, aber immerhin besser als nichts ist. Torhüter Christopher Kleiner und Kapitän Armin Hotz bedankten sich dann auch noch persönlich bei uns für die Unterstützung. Denn das war der einzige dicke Punktgewinn des Tages: die zarten Bande zwischen FC Albstadt und Normannia Gmünd wurden verstärkt, bestehende Kontakte ausgebaut, neue Freundschaften geknüpft. Auch aus der Böblinger Richtung brachte man uns Respekt für die Unterstützung des Gegners entgegen, und wir verabschiedeten uns von den SVB'lern auf ein baldiges Wiedersehen im Normannia-Stadion, wo diese Mannschaft mit ihrem schnellen Flügelspiel keineswegs unterschätzt werden darf.

Natürlich werden wir beim nächsten Duell zwischen Albstadt und Normannia lautstark unseren FCN anfeuern, aber mit Respekt für den Gegner, und wir freuen uns auf das Wiedersehen mit dem FC Albstadt und können die nächste Albstadtfahrt auch kaum erwarten.

Normannia und FC07: "Gemeinsam für den Amateurfußball!"

Spielbericht der SV Böblingen
Spielbericht des FC 07 Albstadt